Ein Experiment mit Jesuit Worldwide Learning
Zwei Monate am Loyola Campus Sri Lanka
Es begann ganz nah am Noviziat. Der Kontakt war in Nürnberg bei einer Buchpräsentation von P. Peter Balleis SJ im Frühjahr 2017 entstanden – das von ihm geleitete Jesuit Worldwide Learning (JWL) faszinierte uns. Das Vorgespräch für ein Experiment war in München, auch noch sehr gut mit dem Regionalverkehr zu erreichen. Der Einsatzort, den JWL bestimmte, war dann aber blitzschnell „weltweit“. Denn die Learning Centres werden gezielt in Krisengebieten aufgebaut.
Und zugleich war es doch auch in der Ferne nah. Ich habe dort in einer kleinen apostolischen Jesuitenkommunität gelebt – und bald vollkommen vergessen, dass das rechtlich gesehen eine andere Gemeinschaft war. Gerade, weil äußerlich so vieles so anders aussieht, von den Lebensmitteln auf dem Teller bis hin zum Straßenbild, fällt auf, wie sehr es dort in den Kommunitäten so zugeht wie bei uns: wie man betet, Kommunität lebt, über Sendung spricht. Einmal war ich für eine Nacht im Jesuitennoviziat in Colombo untergebracht – ich wurde einfach mitgenommen in die stille Gebetszeit, die Messe, zum Essen. Und es passte, als sei es nie anders gewesen. Ich habe mich so weit von zuhause entfernt noch nie so unauffällig gefühlt. Und ich habe wohl auch noch nie so nachhaltig Mary Wards „the same“ – ihre Gründungsaudition: Take the same of the Society (of Jesus) – erlebt und immer wieder gedacht.
Meine Aufgabe bestand in Unterricht auf dem Loyola Campus Mannar. Jeden Morgen um 8 Uhr begann die Arbeit, und nach vielen Stunden mit den Studierenden der Englischkurse endete sie gegen 18 Uhr. Der Campus in Mannar ist einer der insgesamt sieben Standorte des Loyola Campus. Sie sind von den Jesuiten der Sri Lanka Provinz gezielt in den Gegenden eröffnet worden, wo der Krieg am schlimmsten gewütet hat und das Land über lange Zeit lähmte und zerstörte: im Norden und Osten der Insel. Kurse in Englisch und Computerkurse werden ergänzt durch eine ganzheitliche Persönlichkeitsbildung, die darauf hinzielt, junge verantwortungsvolle Menschen auszubilden, die zukünftig das Land in Frieden aufbauen und gestalten und nachwachsende Generationen ebenso führen können. Jesuit Worldwide Learning kooperiert mit dieser Initiative, und bindet die lokalen Lernorte in die weltweite Studiengemeinschaft ein und erweitert dadurch ihren Horizont – und die Möglichkeiten der Jugendlichen. Diese strömen im Augenblick mit einer so schnell zunehmenden Zahl auf den Campus, dass ständig neue Klassen erforderlich werden.
Während ich da war, kam P. General zur Provinzvisitation, und außerdem kamen die 23 Provinziäle der Jesuit Conference of South Asia. Das mit zu erleben war sehr gut – ein Stück Besinnung und Reflexion mit der Provinz und über diese hinaus. Die Jesuiten in Sri Lanka hatten ab 1960 durch eine Verstaatlichung aller Konfessionsschulen zunächst einmal recht plötzlich keine gemeinsamen Werke mehr. Nach einer längeren Phase sehr unterschiedlicher Einsätze haben sie mit der Initiative Loyola Campus eine neue gemeinsame Aktion, ein Werk begonnen. Loyola Campus richtet sich an die Situation der Jugend nach dem Bürgerkrieg. Dessen letzte und härteste Gefechte fanden 2009 statt – das Ende des Krieges hinterließ ein Bild der infrastrukturellen und seelischen Zerstörung. Bildung und Friedensarbeit gehen nun hier notwendigerweise Hand in Hand, begleitet von sozial- und geisteswissenschaftlicher Beobachtung und Reflexion der Bildungsarbeit.
Dass das einen Aufbruch im intellektuellen Apostolat mit sich bringt, ist naheliegend. Eine große Überraschung für mich waren Publikationen von jüngeren Jesuiten, die in der neuen Situation des Landes neu denken und umdenken, was von den Vorgängern vorgearbeitet wurde. Mir kam eine Theologie entgegen, die mit gesellschaftlicher und religiöser Pluralität und mit nach dem Krieg noch virulenten und heiklen Gerechtigkeitsfragen neu ringt.
Es fiel mir schwer, diese so „lehrsame“ Situation wieder zu verlassen, in dem Empfinden, gerade die erste Lehr-Einheit genossen und bestanden zu haben. Genossen habe ich zum Beispiel den Humor, mit dem Zusammenleben und Zusammenarbeiten vonstattengingen. Genossen habe ich diese Studierenden. Genossen habe ich die Kollegen: zwei indische Ordensschwestern und einen jungen Jesuitenstipendiaten aus Sri Lanka und eine junge Muslimin ebenfalls aus Sri Lanka. Für mich war faszinierend, wie gut wir alle dort zusammenpassten – bittere Sorgen, süßen Tee und Reis mit Fisch teilen und den Unterricht nahtlos voneinander übernehmen konnten, und gut streiten.
Es bringt alle in jeder Hinsicht voran, gemeinsam eine für den Friedensprozess so notwendige Arbeit zu tun, für die sich dort im Moment nur sehr schwer genügend Arbeiter finden lassen. Studierende sind da, Lehrer werden gesucht. Jesuit Worldwide Learning tritt an, eine „Community of Learners“ zu vernetzen – und ich habe erlebt, wie es Loyola Campus in Sri Lanka gelingt.
Und das war ein kleiner, neuer Ameisenhaufen auf der Zufahrt zum Campus an meinem letzten Arbeitstag:
Text und Fotos: Sr. Britta Müller-Schauenburg