Das Gelübde der Armut – Einfach leben
Was bedeutet Armut für uns Schwestern heute? Ein Erfahrungsbericht
"Fastenzeit" wird die österliche Bußzeit im Volksmund genannt. Oft liest man da – auch und gerade in Publikationen, die in der Regel wenig mit Glauben zu tun haben – von Verzicht und Selbstoptimierung. Wir möchten uns dem Thema aus einer anderen Perspektive nähern.
An den Fastensonntagen in diesem Jahr blicken Schwestern der Congregatio Jesu aus verschiedenen Perspektiven auf das Thema Armut. Was kann Armut bedeuten? Wie äußert sich das im Alltag? Geht es nur ums Nicht-Besitzen, Nicht-Haben und ums Verzichten oder steckt mehr dahinter?
Den Auftakt macht Sr. Beatrix Meißner CJ. An den folgenden Sonntagen finden Sie weitere Überlegungen und Gedanken. Diese stellen wir auf dieser Seite für Sie zusammen, so dass Sie am Ende alle Folgen übersichtlich nachlesen können.
Das Gelübde der Armut – Einfach leben
Wenn ich an Armut denke, fallen mir zuerst Menschen ein, die Hunger leiden, die frieren, die kein Zuhause haben – die wirklich und wahrhaftig an materieller Armut leiden. Schaue ich dann auf mein Leben, stelle ich fest, dass ich davon weit entfernt bin.
Wir versprechen in unserer Professformel zwar, arm zu leben, das heißt aber nicht, dass wir Mangel leiden. Unsere Gemeinschaft sorgt dafür, dass jedes ihrer Mitglieder bekommt, was es braucht. Wir leiden also keine handfeste Not – und trotzdem bedeutet das Gelübde etwas für mich. Ich verbinde es mit einem einfachen Leben. Das heißt zum einen, dass ich nicht das brauche, was gerade im Trend ist und vor allem nicht immer das Teuerste. Aber eben auch nicht das billigste. Wenn ich neue Dinge brauche, ist es mir wichtig, dass sie eine gute Qualität haben und lange halten. Ich brauche zum Beispiel gutes Handwerkszeug für meinen Dienst, um für andere da sein zu können.
Es ist mir auch wichtig, dass die Dinge, die ich besitze, unter guten Umständen entstehen. Dass für die Kleidung, die ich trage, möglichst niemand ausgebeutet wurde, dass die Handwerker, die zum Beispiel unsere Möbel hergestellt haben, einen fairen Lohn bekommen. Ich trage Kleidung wenn möglich aus zweiter Hand – je länger ich etwas nutzen kann, desto nachhaltiger ist es. Bei solchen bewussten Entscheidungen verbinden sich für mich Einfachheit, Verantwortung für meine Mitmenschen und ein gutes soziales Miteinander sowie für die Bewahrung der Schöpfung – das ist für mich ein wichtiger Aspekt meines Lebens.
Das gilt zum Beispiel auch für Lebensmittel. Zu einem einfachen Leben gehört für mich, dass wir regional und saisonal einkaufen – ich muss nicht immer alles haben können. Das schont Umwelt und Klima und unterstützt Landwirte in der Region. Das erlebe ich schon als Einfachheit. Es ermöglicht mir aber auch Genuss. Im Sommer gönne ich mir zum Beispiel gerne ein Eis, aber es muss dann nicht viel sein und nicht das teuerste. Und wenn ich dann meine Kugel Eis esse, genieße ich sie sehr und freue mich darüber.
Wir achten in unserer Gemeinschaft auch auf andere Dinge: Wir vermeiden Plastiktüten und versuchen, so einzukaufen, dass möglichst wenig Müll entsteht. Wir achten auf kurze Wege beim Einkaufen und versuchen, durch solche Kleinigkeiten unseren Beitrag zu leisten.
Auch bei nicht materiellen Dingen kann ich einfach leben. Zum Beispiel sehe ich mir gerne Kultur an. Das tue ich nicht oft, aber es wirkt dann lange nach und erfüllt mich. Und ich versuche, klimaschonend dorthin zu gelangen – indem ich beispielsweise zu Fuß zu einer Ausstellung in der Nähe gehe.
Gerade in den vergangenen Monaten habe ich es als Segen erlebt, dass unsere Gemeinschaft dafür sorgt, dass ich keine existentiellen Sorgen haben muss. Und dass ich mit wenig auskommen und trotzdem sehr zufrieden sein kann. Unser Exerzitienhaus in St. Pölten, wo ich eigentlich tätig sein sollte, ist – bedingt durch die Pandemie – zurzeit geschlossen. Um nicht untätig zu sein, wurde ich von der Provinzoberin gebeten, auszuhelfen. Und so bin ich in den vergangenen Monaten eingesprungen, wo ich gebraucht wurde. Ich war ab Mitte November mit einem Koffer und einem Rucksack unterwegs, da ich zwischendurch nicht einfach an meine anderen Dinge in Österreich kommen konnte. Überall hatte ich ein Dach über dem Kopf und ein Zimmer, etwas zu essen, meine Kleidung wurde gewaschen und vor allem hatte ich Gemeinschaft. So kann ich in aller Einfachheit ein gutes Leben führen.
An einer Stelle fühle ich mich aber gerade in den vergangenen Monaten immer wieder arm – im Sinne von machtlos und hilflos: Wenn ich an die Menschen denke, die auf der Flucht sind. Gerade die an den Außengrenzen der EU, aber auch die Millionen Flüchtlinge weltweit. Es ist schwer, ihr Leid zu sehen und wenig tun zu können, was nachhaltig zu Veränderungen führt. Da hilft mir das Gebet: unserem Herrn diese Hilfslosigkeit immer und immer wieder hinzuhalten. Und offen zu sein, wenn sich Möglichkeiten der Hilfe eröffnen.
Aufzeichnung des Gesprächs: Esther Finis