6 - Loreto und der Blick auf das Kommende
Der Weg nach Loreto, wo es den dritten Rasttag gab, war ein ziemlicher Umweg. Aber er galt ja nicht irgendeinem Marien-Wallfahrtsort, sondern dem Heiligtum der Casa Santa, der Überlieferung nach das Haus Marias in Nazareth. Während Ignatius sich nach Jerusalem begeben konnte, um sich in die Fußspuren Jesu zu vertiefen, war für Mary Ward Loreto der mögliche Ort der Berührung mit dem irdischen Leben Jesu.
Natürlich waren die Frauen um Jesus für Mary Ward und ihre Gemeinschaft wichtige Bezugspunkte. So heißt es von der geplanten apostolischen Lebensweise: "Deshalb denken wir an eine gewissermaßen gemischte Lebensweise, an ein Leben, von dem wir wahrgenommen haben, dass unser Herr und Meister Christus es seine Jünger gelehrt hat, dass seine seligste Mutter es gelebt und der Nachwelt hinterlassen hat, und dass die heiligen Frauen Maria Magdalena, Martha, Praxedis, Pudentiana, Thekla, Cäcilia, Lucia und mehrere andere heilige Jungfrauen und Witwen es geführt haben."
Mary Ward wollte, dass man Frauen nicht länger absprach, einen eigenständigen Beitrag im Sinne des Reiches Gottes leisten zu können: "Ich wollte bei Gott, dass alle Männer diese Wahrheit verstünden, dass Frauen, wenn sie wollen, vollkommen sein können. Und wenn man uns nicht glauben machte, dass wir nichts tun können und dass wir nur Frauen sind, könnten wir Großes vollbringen."
Und sie argumentierte gegen die weitverbreitete Bevormundung der Frauen durch Männer: "Im Übrigen kann wohl niemand zurecht bezweifeln, dass alles, was Frauen betrifft, unter Frauen besser verhandelt werden kann, als wenn Männer sich einmischen, da jene die Veranlagung der Ihren bei weitem tiefgreifender kennen und diese wissen, dass man sie kennt. Und es gibt unter den Frauen auch manche, die zur Leitung geeignet sind. Nach dem Zeugnis des Erdkreises halten die Frauen dort, wo ihnen bisweilen das Szepter anvertraut wird, mit ihm ohne Unterschied Männer und Frauen, Klerus und Volk in ihrem Aufgabengebiet zusammen."
Der Weg zur Anerkennung der Frauen und ihres apostolischen Potentials war lang und steinig. Er ging weit über die Lebenszeit Mary Wards hinaus und bedeutete für sie und ihre Mitschwestern unsägliche Widerstände und großes Leid.
Die Ahnung davon berührte Mary Ward im Haus von Loreto, "wo sie mit Andacht, Glauben und Vertrauen auf Gott, die unaussprechlich waren, betete und es als ihr Erbe und ihren Anteil annahm, sich für Christus zu mühen und für ihn zu leiden, nachdem ihr lebhaft das Viele vor Augen gestellt worden war, das sie erleiden müsse." (Englische Vita)
Etwa sechzehn Meilen vor Rom, beim Anblick der Kuppel der Peterskirche, kniete Mary aus Verehrung für die Apostel und zum Zeichen ihres Gehorsams gegenüber dem Oberhaupt der katholischen Kirche nieder und verneigte sich tief.