Die CJ-Alpakas in Neuburg an der Donau
Leise Kaugeräusche klingen über den Innenhof, ein leichtes Schnauben und ein zufriedenes Brummen folgen. Sr. Amabilis strahlt. Auf dem Schoß der betagten Schwester, die im Rollstuhl sitzt, liegt ein Handtuch und darauf frisch geschnittenes Gras. Um sie herum drängen sich drei Alpakas und versuchen, die besten Gräser zu erwischen. Ixi ist der Kleinste, aber eindeutig der Chef des Trios. Er macht seinen Hals ganz lang und bekommt die größte Portion Gras und die meisten Streicheleinheiten. Der schwarze Alpaka-Wallach lebt mit seinen Artgenossen Xerus und Gucci im Garten des Hauses der Begegnung in Neuburg.
Die Tiere gehören seit Oktober 2017 zur Hausgemeinschaft der Congregatio Jesu in Neuburg. „Alpakas sind sehr geduldige Tiere, die gut spüren können, wie es den Menschen geht, mit denen sie zusammenkommen“, erklärt Sr. Monika Glockann CJ, die Oberin der Conregatio Jesu in Neuburg. „Daher sind die Tiere gut geeignet, um Menschen mit Demenzerkrankung aus ihrer Isolation zu holen.“
Die Beschäftigung mit den Tieren bringt darüber hinaus bei vielen älteren Menschen Erinnerungen zurück, da sie in ihrer Jugend auch Tiere versorgt haben und im Kontakt mit den Alpakas vertraute Handgriffe anwenden können. „Die Tiere haben sich gut bei uns eingelebt. Der Umgang mit ihnen tut insbesondere den älteren Schwestern, aber auch der gesamten Atmosphäre des Hauses gut“, freut sich Sr. Monika. „Die Alpakas mit ihren langen Hälsen und den glänzenden Augen wirken mit ihrer freundlichen Art beruhigend auf alle, die ihnen zusehen.“
Bewohnerinnen wie Sr. Amabilis haben ein reiches, erfülltes Leben gelebt und werden nun in Neuburg gepflegt – 11 Pflegeplätze hat die kleine Gemeinschaft, in der insgesamt 28 Schwestern leben. Wenn sie die Alpakas streichelt und füttert, kann Sr. Amabilis ihre Schmerzen vergessen und ist einfach glücklich.
Doch auch denen, die noch aktiver sein können, tut die kleine Herde gut. „Ich habe Tiere schon immer gern gehabt“, sagt Sr. Nikola Klinger CJ, die Neuburger ‚Alpakabeauftragte‘. „Ich gehe mit den Tieren spazieren, sorge dafür, dass sie genug Stroh und Heu haben und putze den Stall“, erzählt sie, während sie Gucci ausdauernd den Hals krault. „Unsere Alpakas sind richtig zutraulich. Sie schauen einen an und stellen die Ohren auf und gleich muss ich anfangen zu lächeln.“ Eine Erfahrung, die nicht nur Sr. Nikola gemacht hat.
„Als ich vor zwei Jahren als Oberin nach Neuburg kam, sah ich die große Wiesenfläche, die vorher ungenutzt war“, erzählt Sr. Monika Glockann CJ. Gemeinsam mit Sr. Veronika Fuhrmann CJ, ihrer Stellvertreterin, überlegte sie, dass es schön wäre, dort Tiere zu halten, die den älteren Schwestern und auch den Exerzitiengästen gut tun. „Viele Menschen haben Respekt oder auch Angst vor Hunden oder Katzen und Esel sind zu laut für ein Gelände, das rund herum Nachbarn hat“, schildert Sr. Monika die ersten Überlegungen. Im Internet sah sie, dass es in Neuburg eine Alpaka-Züchterin gibt und stattete dieser einen Besuch ab. „Ich habe auf Anhieb gedacht, dass das die richtigen Tiere für uns sein könnten“, erzählt sie und lächelt dabei.
Alpakas sind Herdentiere und zeichnen sich besonders durch ein freundliches Wesen, Sensibilität und Geduld aus. Maria Wohlfahrt züchtet die Tiere, die ursprünglich in den südamerikanischen Anden zu Hause sind, seit 25 Jahren. „Jedes Alpaka hat eine eigene Persönlichkeit, aber alle haben gemein, dass sie neugierig sind, sich gerne auf Menschen einlassen und eine hohe Sensibilität dafür haben, wie es demjenigen geht, der sich gerade mit ihnen beschäftigt“, berichtet sie. Außerdem sind Alpakas nicht ganz so groß wie Lamas und können daher auch von kleineren, zierlichen Personen gut geführt werden, um zum Beispiel gemeinsam spazieren zu gehen.
Als es darum ging, der Congregatio Jesu drei Alpakas zu vermitteln, war die erfahrene Züchterin jedoch zunächst skeptisch. „Da wuchsen verschiedene Blumen auf der Wiese, von denen ich nicht wusste, ob sie für die Alpakas schädlich sein könnten.“ Nach einer genauen Überprüfung konnte sie schließlich doch noch grünes Licht geben und so zogen die drei Wallache auf dem Gelände des Hauses der Begegnung ein.
Dass das Experiment gelang, ist jedoch auch einem weiteren Mann zu verdanken: Hausmeister Alfred Herrmann war früher selbst Tierzüchter, „allerdings hatte ich eher mit Pferden zu tun, Alpakas waren auch für mich neu“, berichtet er. Für das neue Projekt sagte er aber sofort seine Unterstützung zu: Der geräumige Stall, die verschiedenen Weiden und Zäune sind sein Werk. Außerdem hilft er Schwester Nikola bei der Versorgung der Tiere und ist oft dabei, wenn die Schwestern mit den Alpakas spazieren gehen. „Wenn ich Pause mache, sitze ich gerne auf der Bank vor dem Stall“, berichtet er. „Wenn die drei Lust haben, kommen sie und wollen gestreichelt werden. Wenn nicht, ist es einfach schön, ihnen zuzusehen.“
Das ging auch den Schwestern so. Als die neuen „Mitbewohner“ einzogen, wollten alle sie gleichzeitig kennenlernen. „Der Trubel, der dabei entstand, gefiel dann aber weder den Tieren noch den Schwestern richtig gut“, berichtet Sr. Veronika Fuhrmann CJ. In der Folge gab es daher lieber Besuche von einer oder zwei Schwestern am oder im Gehege und Spaziergänge zur etwas weiter vom Stall entfernten oberen Weide. Auf einer Bank ruhten die Schwestern sich aus und die neugierigen Alpakas kamen herbei, schauten zuerst aus der Ferne, kamen näher, schnupperten und ließen sich schließlich gerne kraulen und streicheln. „So entstanden nach und nach erste Beziehungen“, erinnert sich Sr. Veronika.
Die Schwestern, die auf der Pflegestation betreut werden, können mit dem Rollator oder dem Rollstuhl in den oberen Garten fahren und von dort zum Stall hinübersehen. „Auch durch das gegenseitige Anschauen kamen die Schwestern und die Tiere sich näher", berichtet Sr. Monika Glockann CJ.
„Schließlich haben wir die Tiere am Halfter den Hang hinaufgeführt, so dass sie die Schwestern mit Pflegebedarf kennenlernen konnten.“ Nach ersten kleinen Streicheleinheiten fressen die drei Alpakas den Schwestern heute gerne aus der Hand.
Mittlerweile sind Ixi, Xerus und Gucci so zutraulich, dass sie manchmal sogar mit dem Aufzug auf die Pflegestation fahren und die Schwestern in ihren Zimmern besuchen. „Diese Momente sind für alle, die sie erleben, etwas Besonderes, denn sie ermöglichen den Schwestern, die sonst nur die kleine Welt der Pflegestation erleben, neue Erfahrungen und Erlebnisse.“
Das hört jedoch nicht bei den Begegnungen mit den Tieren auf. „Als die Alpakas vor Ostern geschoren wurden, sagten die Schwestern: Das ist unsere Wolle, damit möchten wir etwas machen“, erinnert sich Sr. Monika. Also kam Maria Wohlfahrt zu einem Woll-Workshop an die Luisenhöhe. Gewissenhaft und ausdauernd reinigten die Schwestern die Wolle von kleinen Heu- und Strohresten. „Sogar Schwestern, die sonst kaum noch etwas tun und sich nicht gut bewegen können, waren mit Konzentration und Begeisterung dabei“, freut sich Schwester Monika. „Die Beschäftigung mit der warmen, flauschigen Wolle, war ein besonderes Erlebnis.“
Eine der Schwestern hat als Kind noch mit dem Spinnrad Spinnen gelernt, daher wird die Wolle nun im Herbst gemeinsam gekämmt und dann versponnen. Schwester Monika strahlt: „Anschließend wird gestrickt, darauf freuen sich meine Mitschwestern schon jetzt.“