Weinbergexerzitien
Bis Juli 2018 lebte ich an der Mosel – mit Weinbergen, soweit das Auge schauen kann.
Ich hatte ein interessantes Klostergut entdeckt: ehemals wohnten dort Dominikanerinnen, jetzt ist das Gut von einer Familie bewohnt, die Bio-Wein anbaut und vermarktet und auch Gäste aufnimmt. Ich fragte an, ob wir ein gemeinsames Projekt planen und durchführen könnten: Weinberg meets Exerzitien. Die Familie war begeistert.
So „übte“ ich erst mit Freunden, ob das Konzept tragfähig ist. Es zeigte sich, dass dem so ist. Auch hier gab es eine stille Zeit vor dem Frühstück, danach ein Impuls und anschließend fuhren wir mit dem jungen Winzer in die Weinberge.
Nur Steillage. Kleine Parzellen über ein großes Gebiet verstreut und zu einer Zeit, in der jeden Tag – wetterabhängig – etwas anderes gearbeitet wurde: Gibbeln, Netze spannen oder Weinstöcke auf Ungezieferbefall kontrollieren. Und zu allem erzählte der Winzer, wozu alles dient, warum er alle ungewollten Parzellen aufkauft („Ich bin halt verrückt und sehe in allen Weinstöcken noch Potenzial.“), dass er jeden von seinen über 30.000 Weinstöcken etwa 20 mal im Jahr persönlich anfasst/bearbeitet, dass er jeden kennt und weiß, was er braucht.
Ich habe beim Erzählen gespürt, und so ging es auch den Teilnehmenden, wie sehr der Winzer seine Arbeit liebt und wie er uns mit seiner Liebe angesteckt hat. Wir aßen nach der Arbeit wie die Scheunendrescher. Arbeit macht hungrig, müde und still.
So war es ein leichtes, am Nachmittag eher still zu sein und zu schauen, wie Gott an uns arbeitet – wie er uns umsorgt, weiß, was wir brauchen, wie er immer noch das Beste in uns sieht, wenn wir verzagen.
Nach diesen guten Erfahrungen führte ich den Kurs dann noch einmal zur Lesezeit mit einem Kollegen und Menschen aus Berlin, München, Würzburg und der Umgebung von Trier durch.
Zu sehen, dass die süßesten Früchte nicht sehr ansehnlich sind; Dass die Edelfäule erst den richtig süßen, schweren guten Wein hervorbringt; Dass Qualität besser ist als Masse; Dass alles – auch jede Rebsorte – ihre eigene Zeit hat.
Und dass Gott für uns sorgt wie der gute Winzer, der jeden einzelnen Stock kennt. Der weiß, was er wegschneiden muss, damit der Weinstock mehr Frucht bringt. Der auch das, was weggeschnitten wird, noch zum Düngen und Lockern des Bodens brauchen kann. Der sich über unsere Früchte freut.
Wir haben gespürt, dass Gott da ist: bei Wind, Regen, Sonne, bei Stürmen; Dass er behutsam mitgeht und liebevoll schaut. Und dass er unendlich stolz ist auf seinen Weinberg und auf uns.