Glaubenszeugnis während des Pastoralexperimentes
Im Oktober und November habe ich mein Pastoralexperiment in einer Pfarrei gemacht. Es war für mich eine sehr bereichernde Zeit, in der ich wertvolle Erfahrungen machen durfte. Ich bin dankbar für die Begegnungen mit vielen verschiedenen Menschen. So war ich z.B. einmal in der Woche in der Caritas-Kita, um dort mit den Kindern zu spielen und ihnen eine Geschichte aus der Bibel zu erzählen, habe mich in den Beginn der Erstkommunionsvorbereitung einbringen können, habe bei der Essensaugabe der Tafel im Gemeindezentrum mitgeholfen, war zu Gast beim Seniorenkreis oder in gemeindlichen Gremien wie dem Pastoralrat. Auf verschiedene Weise durfte ich mich auch an der Liturgie beteiligen, z.B. bei der Kinderkirche oder durch einen Impuls bei der Gräbersegnung.
An einem Sonntag habe ich in der Messe folgendes Glaubenszeugnis gegeben:
Seit Juli letzten Jahres bin ich Schwester der Congregatio Jesu, einem Frauenorden, der – wie die Jesuiten und andere Gemeinschaften – nach den Ordensregeln des Hl. Ignatius lebt. Im Rahmen meines Noviziates, der zweijährigen Ordensausbildung, mache ich gerade ein zweimonatiges pastorales Praktikum in Ihrer Pfarrei. Ich möchte Ihnen heute ein wenig von meinem Weg berichten, der mich in diese Lebensform in dieser Gemeinschaft geführt hat, meinem Weg mit Gott.
Ich bin in einer Familie aufgewachsen, in der während meiner Kindheit der christliche Glaube keine Rolle im Alltag spielte. Ich bin dankbar, dass ich in der Vorbereitung zur Erstkommunion unseren Glauben kennenlernen durfte und Anschluss an die Kirchengemeinde gefunden habe, in der ich mich später auch in der Jugendarbeit engagiert habe.
Als junge Erwachsene, mit Anfang 20, bin ich häufig nach Taizé gefahren, einer wichtigen Station auf meinem Glaubensweg. In dieser Zeit habe ich meinen bisherigen Glauben von Grund auf hinterfragt und wichtige Erfahrungen gemacht, die mein Leben seitdem prägen. Ich habe dort viel in der Bibel gelesen und verstanden, dass darin nicht nur Geschichten aus vergangenen Zeiten stehen, sondern dass sie ein lebendiges Buch ist durch das der lebendige Gott mich ganz persönlich in meinem konkreten Leben anspricht. Ich habe gelernt, nicht nur gemeinsam in der Liturgie sondern auch ganz persönlich zu beten und erfahren, dass Gebet keine „Einbahnstraße“ ist, in der ich Gott etwas erzähle, sondern ein Dialog, in dem Er mir antwortet. Zuhause habe ich an Exerzitien im Alltag teilgenommen, in denen ich unterschiedliche Weisen des Gebetes kennenlernte. Seitdem beende ich z.B. meinen Tag mit dem „Gebet der liebenden Aufmerksamkeit“, einem Tagesrückblick in dem ich mit Gott gemeinsam meinen Tag anschaue und nach Seinen Spuren in meinem Alltag suche. Dieser Alltag war geprägt von meiner Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin, der Arbeit mit Menschen mit einer geistigen Behinderung, die mir sehr viel Freude gemacht hat. Er war auch geprägt von der schwierigen Suche nach Gleichgesinnten, von dem Bedürfnis, gemeinsam mit anderen Menschen den Glauben zu leben. Wie wohl die meisten jungen Frauen träumte ich jedoch damals auch von einer eigenen Familie. So führte mich diese Suche noch nicht in einen Orden, sondern in eine geistliche Gemeinschaft, die Arche-Gemeinschaft, in der Menschen mit und ohne geistige Behinderung gemeinsam leben und in der es möglich ist, sowohl als Single als auch als Familie mitzuleben. In dieser Gemeinschaft habe ich 7 Jahre gelebt – zunächst in Dublin in Irland und dann in Ravensburg am Bodensee.
In Irland lernte ich die Jesuiten und durch sie die ignatianische Spiritualität kennen. Ignatius sagt, dass man Gott in allen Dingen finden kann, dass alles zu seiner Ehre gereichen kann. Diese Erfahrung machte ich mehr und mehr in meinem Alltag: Gott ist kein ferner Gott, dem ich nur an frommen Orten begegnen kann, er ist mitten unter uns Menschen, dort wo wir leben. Ich habe ihn z.B. bisher erfahren als den, der Unmögliches möglich macht – als den, der mir den Weg zu einem guten, versöhnten Miteinander mit jemanden zeigt, mit dem ich mich schwertat oder als den, der mir Hoffnung schenkt, in Situationen, in denen ich nicht weiter weiß, als den, der mich durch die vielen Gaben meiner Mitmenschen beschenkt und den, der mir zeigt, wie ich meine Fähigkeiten zum Wohle anderer Menschen einsetzen kann. Im Gebet habe ich Gott erfahren als Quelle, die mir Leben schenkt und als Ziel, auf den hin ich lebe.
In der Arche begegneten mir immer wieder Ordenschristen. Mich faszinierte die Radikalität, mit der sie ihren Glauben leben, die Bereitschaft, sich in der Nachfolge Jesu überall für die Menschen einzusetzen, zu denen sie gesandt sind. Auch ich sehnte mich danach, Gott immer mehr zu lieben, Jesus immer mehr nachzufolgen. Obwohl ich merkte, dass mich das Ordensleben fasziniert, dass ich mich nach einer verbindlicheren Form der Nachfolge sehnte als ich sie in der Arche leben konnte, habe ich, diese Sehnsucht, dieses leise Rufen Gottes, ignoriert. Ich ahnte, dass es Konsequenzen haben könnte, wenn ich dort genauer hinschaue. Ich wollte ja eine Familie haben - und ich kann stur sein. Gott hat Geduld. Ich habe Ihn erfahren als liebevoll um mich Werbenden, der mir meine Freiheit lässt und auch mitgeht, wenn ich nicht auf dem Weg gehe, zu dem Er mich eindlädt. In einer Partnerschaft habe ich gemerkt, dass ich nicht anders kann als meine Priorität bei Gott und meiner Verfügbarkeit für Ihn und die Menschen zu setzen.
Durch eine Novizin, die ein Praktikum bei uns in der Arche machte lernte ich die Congregatio Jesu kennen und war beeindruckt von dieser Gemeinschaft. Gottes Rufen wurde im kommenden Jahr immer lauter und mein Widerstand bröckelte. Ich habe Ihn gebeten, mir zu zeigen, welchen Plan Er für mich hat und ich habe um die Freiheit gebeten, „Ja“ dazu sagen zu können. In einem Tauferinnerungsgottesdienst während meiner nächsten Exerzitien sprach der Pfarrer jedem Gottesdienstteilnehmer einzeln zu: „Du bist getauft auf den Namen des dreieinen Gottes, mit seinem Geist begabt, frei, Gott und den Menschen zu dienen.“ In mir war auf einmal alles klar: Ich gehöre Gott, er lädt
mich ein, in einem Orden zu leben, um ganz frei für den Dienst an den Menschen zu sein.Ich bin völlig frei, diese Einladung anzunehmen oder abzulehnen. Und ich konnte endlich „Ja“ sagen.
Weder in meiner Familie noch in meinem Freundeskreis war irgendjemand überrascht als ich erzählte, dass ich in einen Orden eintreten werde. Viele Menschen, die mich gut kennen, haben mir gesagt, dass sie auf diese Entscheidung gewartet haben. Jetzt lebe ich seit eineinhalb Jahren in der Congregatio Jesu und spüre, dass es gut war, Gottes Einladung zu folgen. Ich denke, ich habe die Lebensform gefunden, in der Gott mir „Leben in Fülle“ schenkt, in der ich wachse – an vielem Schönen, aber auch an Herausforderungen. Mir ist es wichtig, auf dem Weg der Nachfolge in Gemeinschaft zu leben, in meinen Mitschwestern Weggefährtinnen zu haben. Da wir Schwestern uns untereinander nicht ausgesucht haben kann dieses Miteinander zeitweise auch herausfordernd sein. Ich erlebe aber immer wieder, wie bereichernd unsere Vielfalt ist, wie Gott eine jede von uns mit Gaben beschenkt, die sie für andere einsetzt. Ich möchte das, was Gott mir schenkt weiterschenken an Menschen, die mir begegnen. Nächsten Sommer werde ich mich in meiner ersten Profess in den Gelübden der Armut, der Ehelosigkeit und des Gehorsams ganz an Gott und meine Gemeinschaft binden. Ich spüre in dieser Bindung an Gott eine große Freiheit. Durch den Verzicht auf eigenen Besitz und auf eine eigene Familie bin ich frei und verfügbar, mich durch meine Oberen dorthin senden zu lassen, wo ich gebraucht werde.
Wo das sein wird und was genau ich tun werde weiß ich noch nicht. Unsere Ordensgründerin, Maria Ward, hat einmal gesagt: „Sei überzeugt, Gott wird dir immer das geben, was am besten für dich ist.“ Ich habe in meinem bisherigen Leben erfahren, dass ich Gott vertrauen kann, dass Er ein treuer Wegbegleiter ist, dass Er mir Leben schenkt. So vertraue ich darauf, dass Er mir auch in Zukunft – an neuen Orten, in neuen Begegnungen, in neuen Herausforderungen das schenken wird, was am besten für mich ist.