Zum Palmsonntag: Der Jubel und das eigene Ja

"Halt, das passt so nicht! Diese Jubelrufe tragen nicht!", so möchte ich rufen, wenn ich mich in
der Betrachtung in das Evangelium vom Einzug Jesu nach Jerusalem vertiefe.

Aber ich kann leicht so empfinden. Denn ich weiß, wie es weitergeht. Mir ist bewusst, dass die Hosanna-Rufe bald schon in ein "Kreuzige ihn!" umschlagen werden. Wäre dies meine Intuition auch ohne dieses Wissen im Hinterkopf? Schwer zu sagen.

Für die Menschen in Jerusalem war es damals klar: Dies ist der lang ersehnte Retter. Endlich zieht er, der im Namen des Herrn kommt, in Jerusalem ein und beginnt, die bedrückenden Verhältnisse umzukrempeln. Die Zeichen werden ja auch bewusst so gesetzt, dass die Leute dies glauben können: Im Einzug auf dem Rücken eines jungen Esels klingen Prophetenworte an.

Ist es nicht so, dass auch wir leicht in Begeisterungsstürme ausbrechen, uns von der Euphorie mitreißen lassen?

Wie war es denn, als endlich die Ersten gegen Corona geimpft wurden – waren wir da nicht zusammen mit vielen überschwänglich begeistert, weil wir hofften, dass damit endlich die Kehrtwende in der Corona-Pandemie da ist und es ab sofort nur noch besser werden kann? Oder habe ich mich nicht auch, wie viele andere, maßlos gefreut, als Barack Obama als erster Afroamerikaner zum Präsidenten der USA gewählt wurde – erschien das doch wie eine Zeitenwende?

Sicher könnten wir alle jeweils Momente benennen, in denen wir uns – aufgrund eines politischen, gesellschaftlichen, wissenschaftlichen oder sportlichen Ereignisses – von einer Welle der Begeisterung haben mitreißen lassen. Vermutlich sind wir alle für diese Art kollektiver Empfindungen empfänglich.

Da mag es, nicht nur aufgrund unserer Geschichte und der Erfahrungen im Dritten Reich, sondern generell gut sein, einen Schritt zur Seite zu machen und die Dinge etwas nüchterner zu betrachten.

Denn kein Politiker ist der Retter, keine wissenschaftliche Erkenntnis der Durchbruch zur Ausrottung des Leids, kein Sportler vor Verletzungen und Misserfolgen gefeit, und auch kein Religionsführer der Heiland. Eine gesunde Portion Realitätssinn hilft, da Enttäuschung und die Verkehrung ins Gegenteil sonst vorprogrammiert sind.

Und Jesus selbst? Anders als die Menschen am Straßenrand weiß er, was ihn in Jerusalem erwartet: Verrat, Verhaftung und Verleugnung, körperliche Gewalt, qualvolles Leiden, ja der Tod. Dennoch zieht er in die Stadt ein. Er hat Ja gesagt zu dem, was Gott von ihm möchte – seine
enge Verbindung mit dem Vater, das Gebet sowie seine innere Freiheit, die daraus erwächst, ermöglichen ihm dies; auch gegen den Jubel und das Gegröle der Menschen.

Denen, die ihm folgen, stellt sich die Frage nach der eigenen Bereitschaft, dem eigenen Ja zu Gottes Willen.

Text: Sr. Anna Schenck CJ

Herzlichen Dank an die Katholische Sonntagszeitung aus Augsburg, in der dieser Text zuerst erschien und die uns die Übernahme ermöglicht.