Zum 4. Advent: Nachdenken eröffnet Raum für Gott
"Während er noch darüber nachdachte“ – an diesem Halbsatz aus dem Evangelium bin ich hängengeblieben. Josef handelt nicht auf der Stelle, als er davon erfährt, dass seine Verlobte
schwanger ist – ohne dass das Kind von ihm sein könnte. Er nimmt sich Zeit zum Nachdenken, was er jetzt tun soll und wie. Mich berührt dieser Aspekt, denn so eröffnet sich ein Raum, in dem sich der Wille Gottes zeigen kann.
Dies deckt sich auch mit meinen eigenen Erfahrungen. Sicherlich gibt es Situationen, in denen ein zügiges Handeln geboten ist. Wenn ich an eine Unfallstelle komme, sollte ich besser nicht erst einmal nachdenken, sondern gleich aktiv werden. Aber öfter ist das Ganze nicht so klar. Manchen Situationen oder Menschen werde ich nur gerecht, wenn ich nicht sofort reagiere.
In der Zeit des Nachdenkens sortiert sich manches. Die gedanklichen Puzzleteile finden auch nicht unbedingt alle ihren Platz, wenn ich mir nur lang genug das Hirn zermartere. Nicht selten, so meine Erfahrung, geht etwas weiter mit mir – und dann gibt es einen Moment, in dem mir plötzlich klar ist, worum es hier eigentlich geht und was zu tun ist.
Es ist, als ob ich hinter den Spiegel schauen könnte und dort etwas ganz Anderes entdecke. Für mich sind dies ganz besondere, gnadenvolle Momente.
Gott zwingt Josef nicht. Es gibt kein Donnern vom Himmel, das eine klare Ansage macht: So und
nicht anders musst du handeln. Immer wieder hören wir davon, dass Gott Menschen im Traum seine Wege zeigt oder eine unmittelbare Begegnung mit ihm ermöglicht. Was gebe ich auf solche "Traumbilder"?
Der Zweifel ist immer da, dass es sich um nichts anderes als mein unterbewusstes Wunschdenken
handelt. Hierbei nehme ich nicht ernst, dass der Immanuel nicht nur der Gott mit uns und der Gott für uns ist, sondern auch der Gott in uns. In dem, was sich regt, wenn ich mit mir selbst in Kontakt bin – und in dem, was mich von außen berührt –, zeigt sich auch Gottes Wille. Vielleicht kommt im Traum beides zusammen: Gott, der in mir lebt, und Gott, der von außen auf mich zukommt.
Leider bin ich in der Getriebenheit des Alltags, in der Vielzahl von Aufgaben und Begegnungen oft gar nicht richtig in Kontakt mit mir selbst. Genau deshalb ist der Raum des Nachdenkens Gold wert. Ich lasse mir Zeit, spüre dem Gehörten, dem, was mir begegnet ist, nach und spüre eine Resonanz in mir. Nach dem ersten genervten Reflex – "Schon wieder so ein blöder Anruf!" – wird dann vielleicht die Person dahinter spürbar, und was diese wirklich braucht.
Es sind nicht immer die großen Lebensentscheidungen, die eine Zeit des Nachdenkens erfordern. Es geht auch um die kleinen Akzente, um Gottes Willen im Alltag zu tun und ihm so einen Weg zu den Menschen zu bahnen.
Sr. Anna Schenck CJ
Evangelium - Mt 1,18–24
Mit der Geburt Jesu Christi war es so: Maria, seine Mutter, war mit Josef verlobt; noch bevor sie zusammengekommen waren, zeigte sich, dass sie ein Kind erwartete – durch das Wirken des Heiligen Geistes.
Josef, ihr Mann, der gerecht war und sie nicht bloßstellen wollte, beschloss, sich in aller Stille von ihr zu trennen. Während er noch darüber nachdachte, siehe, da erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sagte: Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen;
denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn gebären; ihm sollst
du den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen.
Dies alles ist geschehen, damit sich erfüllte, was der Herr durch den Propheten gesagt hat: Siehe: Die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären und sie werden ihm den Namen Immánuel geben, das heißt übersetzt: Gott mit uns.
Als Josef erwachte, tat er, was der Engel des Herrn ihm befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich.