"Welt und Umwelt der Bibel" berichtet über Mary Ward
In der aktuellen Ausgabe 1/2023 der Zeitschrift "Welt und Umwelt der Bibel" geht es um "Christentum in England". Dabei werden verschiedene historische Epochen ausführlich beleuchtet und aufgezeigt, wie das Christentum sich auf der Insel entwickelt hat. Und auch wenn ein großer Teil ihres Lebens sich auf dem europäischen Kontinent abgespielt hat, darf die Geschichte Mary Wards dabei nicht fehlen.
Autorin ist Dr. Andrea Link. Sie ist Neutestamentlerin, Journalistin und Gymnasiallehrerin.
Von 1992 bis 2006 war sie als Studienrätin an der "Liebfrauenschule" in Bensheim tätig. Wir freuen uns sehr über die Möglichkeit, ihren Text hier ebenfalls zu veröffentlichen. Wenn Sie die weiteren Artikel lesen möchten, können Sie die Ausgabe von "Welt und Umwelt der Bibel" unter www.weltundumweltderbibel.de/aktuelles-heft erwerben. Dort ist auch ein weiterer Artikel (als Leseprobe kostenfrei) verfügbar, der für Mary-Ward-Interessierte spannend ist. Pascal Johannes Harter schreibt darin über "Mutige Christinnen aus England. Aufbrüche aus der Männerkirche schon im Mittelalter".
Mary Ward – eine Frau ergreift die Initiative
Mary Ward (1585–1645) ist wohl die berühmteste römisch-katholische Christin Englands. Geboren 1585 bei York in der Zeit der Katholikenverfolgung, erfuhr sie schon als Kind, wie Familienangehörige um des Glaubens willen alles wagten: Hab und Gut, Ehre und Leben.
Von Andrea Link
Um des Glaubens willen verließ sie 1606 ihre Heimat und trat in Flandern in den Orden der Klarissinnen ein, um ihr Leben ganz Gott zur Verfügung zu stellen. Nach und nach wurde ihr ein anderer Weg gezeigt. 1607 Austritt und Rückkehr nach England. Ihr Missionsfeld dort: Partys des Adels und die Armenviertel in London.
1609 gründete die Vierundzwanzigjährige zusammen mit vier jungen Frauen aus dem englischen Landadel eine neue Ordensgemeinschaft in St. Omer. Zwei Jahre später war die Zahl der "Englischen Fräulein" schon auf 50 gewachsen. 1611 erkannte sie, dass für ihren gemeinsamen
Weg die Ordensregel des Ignatius von Loyola Weisung sein sollte. Um ihren Dienst für die bedrängte Kirche in England erfüllen zu können, konnte sie sich nicht an strenge Klausurvorschriften binden.
Die Gemeinschaft sollte unabhängig sein von der Leitung durch einen männlichen Orden und sollte einer "Generaloberin" unterstehen. Mary Ward wollte Frauen die geistigen und spirituellen
Voraussetzungen vermitteln für ein fruchtbares apostolischesWirken und sie zu verantwortlichem
Engagement in der Seelsorge führen. Die Ausbildung und Erziehung der Mädchen in England
und zunächst auf dem europäischen Kontinent, zielten in diese Richtung.
Aufgeschlossen für die Bedürfnisse und Fortschritte einer neuen Zeit, suchte sie Frauen zum Glaubenszeugnis mitten in der Welt zu bewegen. Gegen männlichen Spott, gegen die Abwertung "nur Frauen" wandte sie selbstbewusst ein: "Es heißt nicht Veritas hominis, sondern Veritas Domini, und diese Wahrheit besitzen Frauen ebenso gut wie Männer. ... Der Eifer, meine Schwestern, besteht nicht in Gefühlen, sondern im Willen, recht zu tun, und diesen mögen Frauen so gut wie Männer haben, ... und ich hoffe zu Gott, dass man auch in Zukunft Frauen Großes
vollbringen sehen wird."
Steckbrieflich gesucht, mehrfach verhaftet, gar zum Tode verurteilt und wieder freigesprochen, hielt sie sich bald auf dem Festland, dann wieder in England auf. Es folgten Gründungen von Niederlassungen und Schulen in Lüttich, Köln, Trier, Rom, Neapel, Perugia, München, Wien, Preßburg.
Nach anfänglicher Anerkennung ihrer Arbeit durch den Papst wuchs der Widerstand gegen ihr Werk vonseiten englischer Priester und in der römischen Kurie. Drei beschwerliche Reisen
über die Alpen und durch ein durch den Dreißigjährigen Krieg verwüstetes Europa führten Mary Ward mit einigen Gefährtinnen nach Rom. Persönlich und mit Freimut trug sie Papst und Kardinälen den Plan ihres Werkes vor und bat um die Bestätigung.
Die Päpste Gregor XV. und Urban VIII. verweigerten diese. Zu neu waren für die Kirchenoberen
ihre Gedanken: Ein Frauenorden ohne Klausur, direkt dem Papst unterstellt, unter der Leitung einer Generaloberin. Die Inquisition eröffnete einen Prozess gegen Mary Ward und mit der Bulle
vom13.01.1631 wurde ihre Gründung von Papst Urban VIII. als eine "unüberlegte und eigenmächtige Verirrung" aufgehoben. Die Häuser wurden geschlossen und die Gelübde der englischen Fräulein für ungültig erklärt.
Mary Ward selbst wurde in München, wo sie durch die Gunst des Kurfürsten Maximilian I. von Bayern im Paradeiserhaus eine Schule eröffnet hatte, verhaftet. Der römische Inquisitionsprozess
endete zwar mit ihrer vollständigen Rehabilitierung und mit der Erlaubnis, mit ihren Gefährtinnen in Gemeinschaft zu leben, aber erst lange nach ihrem Tod erhielt der Orden der Maria-Ward-Schwestern die päpstliche Anerkennung.
1645 starb sie in ihrer englischen Heimat in Heworth bei York. 1909 wurde Mary Ward durch Papst
Pius X. als Gründerin des "Instituts der Englischen Fräulein" (IBMV) anerkannt. 1968 erlaubte der Generalobere der Jesuiten, Pedro Arrupe SJ, schließlich die Übernahme der Ignatianischen Konstitutionen gemäß dem Gründerwillen Mary Wards. Seit 2003 darf sich derOrden offiziell
Congregatio Jesu (CJ) nennen.
Der Name Jesu war wie Ignatius von Loyola auch Mary Ward besonders wichtig. "Jesus" war, wie es heißt, ihr erstes und ihr letztes Wort und über jeden Brief, den sie begann, schrieb sie ihn im Kürzel: "jhs" – die griechischen Anfangsbuchstaben für "Jesus – Sohn – Retter". In programmatischer Miniatur spüren wir heute hier Mary Wards gläubige Überzeugung und Vision ihrer Sendung.
Mit Jesus "die Armen lieben, in dieser Liebe verharren, mit ihnen leben, sterben und auferstehen, das war alles, was Mary Ward erstrebte", so verdichten es später Jahrhunderte überdauernde
Worte auf dem Grabstein Mary Wards.