Vom Glutkern des Glaubens: Blick auf "Fratelli tutti"
Anfang Oktober unterschrieb Papst Franziskus in Assisi seine Enzyklika "Fratelli Tutti". Viel ist seither darüber gesprochen worden - in Deutschland oftmals aus einer sehr europäischen Perspektive. Doch wie nimmt man die Enzyklika in anderen Teilen der Welt auf? Sr. Martha Zechmeister CJ, die in El Salvador lebt und arbeitet, hat darüber mit Radio Vatican gesprochen.
In dem Interview heißt es beispielsweise:
„Was mich hier anspricht als lateinamerikanische Theologin, wenn ich das so präpotent sagen darf, ist, dass der Papst sich nicht um theologische Spitzfindigkeiten kümmert, sondern den Gott Jesu verkündet, den Gott, der der Liebhaber des Lebens ist. Deshalb sehe ich hier nicht eine Sozialenzyklika mit einem theolgischen Defizit, sondern für mich ist das die Verkündigung des Gottes Jesu Christi, und deshalb zentral theologisch. Mit Irenäus von Lyon: Die Herrlichkeit Gottes ist der Mensch, der lebt.“
Insbesondere geht Sr. Martha auf die Lage der Armen und Benachteiligten, der Menschen am Rande der Gesellschaft ein und berichtet von ihrer Arbeit: " Die Konsequenzen eines globalen Sytems, einer globalen Politik, werden an den Rändern beinhart erfahrbar anhand derer, die aus dem Wirtschaftssystem herausfallen, die keiner braucht, die nutzlos sind, die Weggeworfenen, wie dieser Papst sagt. Und wenn das in Europa im Vergleich zur Mehrheitsgesellschaft wenige sind, so kehrt sich das in unseren Ländern um. Da ist es die Mehrheit, die keinerlei wirtschaftliche Perspektive hat."
Gerade der mehr als nur individuelle Horizont, den der Papst Franziskus mit seinen ethischen Impulsen eröffne, ermögliche den Leserinnen und Lesern der Enzyklika einen wichtigen Blick: „Normalerweise sind Nächstenliebe und Freundschaft romantische Verzierungen einer Wirklichkeit, die auf anderen Gesetzmäßigkeiten beruht. Aber der Papst fordert, Nächstenliebe, Freundschaft, das Gleichnis vom barmherzigen Samariter als politische Kategorie durchzudenken. Also so, dass es strukturbildend wird. Und das ist zutiefst lateinamerikanische Theologie", so Sr. Martha.