Veränderungen, Abschiede und Neuaufbrüche
Zum Ende der Amtszeit von Provinzialoberin Sr. M. Sabine Adam CJ: Ein Rückblick
Zum Jahresende 2019 endet die Amtszeit von Provinzialoberin Sr. M. Sabine Adam CJ, bevor im kommenden Jahr Sr. Cosima Kiesner CJ die Leitung der Mitteleuropäischen Provinz übernimmt. Zum Abschied schauen wir zurück auf einige der wichtigen Ereignisse in den vergangenen sechs Jahren und haben Sr. Sabine einige Fragen gestellt.
Am 3. Januar 2014 übernahm Sr. M. Sabine Adam CJ die Leitung der Mitteleuropäischen Provinz der Congregatio Jesu von Sr. Angela Fries CJ. Beim Amtsantritt hatte sie das Bild eines Flussdeltas vor Augen, das in kleineren und größeren Seitenarmen schneller oder gemächlicher zum Meer hinströme. Lebensräume von Fließgewässern ließen sich nicht statisch erhalten, sondern sie würden fortwährend neu geschaffen, sagte sie bei der Feier in München-Pasing. Übersetzt auf die Gemeinschaft der Congregatio Jesu bedeute dies, dass möglicherweise Angst machende Veränderungen ein Zeichen von Lebendigkeit seien. „Der Fluss mit Namen Ordensleben, auch der Fluss mit Namen Congregatio Jesu wird sich verlagern, er wird sich neue Bahnen suchen, suchen müssen. Das ist keine Katastrophe, sondern ein Zeichen dafür, dass unsere Gemeinschaft ein lebendiger Organismus ist.“
Veränderungen prägten die Zeit von Sr. Sabine als Provinzialoberin tatsächlich sehr. Die Altersstruktur und die kleiner werdende Zahl der Schwestern machten die Schließung mehrerer Standorte notwendig. Auch das Exerzitien- und Tagungshaus in Augsburg wurde geschlossen. Das Zentrum Maria Ward war nicht mehr länger an Augsburg gebunden, sondern wurde eine Institution, die die verschiedenen Angebote aller Schwestern an unterschiedlichen Standorten koordiniert und die Mary-Ward-Spiritualität an den Schulen fördert.
So schwer das Verlassen von Standorten auch fiel, so viel zukunftsweisende Hoffnung wurde dabei auch sichtbar. Denn überall hat sich gezeigt, dass zwar die Schwestern sich zurückziehen, der Geist ihrer Ordensgründerin Mary Ward jedoch weiterhin sichtbar und wirksam bleibt: in Maria-Ward-Kindertagesstätten, -Schulen und -Ausbildungsstätten, Mary-Ward-Freundeskreisen, in Kunstwerken oder Initiativen für Bildung und zur Linderung von Armut, die von Menschen initiiert wurden, die von Mary Ward und den Schwestern inspiriert wurden.
Eine besondere Form des Aufbruchs gab es 2015. In zahlreichen Niederlassungen der Congregatio Jesu übernahmen Schwestern Verantwortung für neu angekommene Geflüchtete: als Deutschlehrerinnen und Hausaufgabenhelferinnen, als Begleiterinnen bei Arztterminen oder Integrationshelferinnen und nicht zuletzt durch das Willkommen-Heißen von Flüchtlingsfrauen und -familien in ihren eigenen Räumlichkeiten. Sr. M. Sabine Adam CJ schloss sich einer Initiative von 45 Ordensoberen an, die den damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer um eine engagierte Unterstützung der geflüchteten Menschen in Bayern gebeten hatten. Bei einem persönlichen Gespräch mit Seehofer konnte sie gemeinsam mit weiteren Ordensoberen die Haltung der Ordensleute darlegen.
Im September 2017 schloss sich die Ungarische Provinz der Mitteleuropäischen Provinz an – eine bewegte Zeit, die viele Veränderungen aber auch viele gute Begegnungen ermöglichte.
Auch eine stärkere Beschäftigung mit dem Thema Nachhaltigkeit und Ökologie bei der Congregatio Jesu fiel in die Amtszeit von Sr. Sabine. Ein Öko-Audit, dem sich die CJ weltweit unterzog, erbrachte für die MEP konkrete Ergebnisse. Das ökologische Engagement wurde zuletzt noch einmal durch eine neue Initiative verstärkt, die systematischer und mit professioneller Beratung die Ursachen ökologischer Fehlhaltungen in den Blick nehmen wird.
Wichtig war Sr. Sabine die Zusammenarbeit mit ihrem Leitungsteam, dem Provinzrat, bestehend aus Sr. Gertrud Zenk, Sr. Gertrud Himmel, Sr. Monika Glockann, Sr. Johanna Schulenburg, Sr. Ruth Arnold, Sr. Ursula Dirmeier und Provinzökonomin Sr. Irene Schrüfer. Auch die Amtszeit dieses Gremiums geht zum 31.12.2019 zu Ende. Die Tätigkeit von Sr. Irene Schrüfer als Ökonomin wird dagegen fortgesetzt.
Fünf Fragen an Sr. M. Sabine Adam CJ
Frage: Welches ist das stärkste Gefühl am Ende Ihres Dienstes als Provinzialoberin der Mitteleuropäischen Provinz?
Sr. M. Sabine Adam CJ: Ich bin überrascht, dass ich so viel Neues gelernt habe; Dinge, mit denen ich vor meiner Amtszeit nichts zu tun hatte. Und es bleibt ein Gefühl der Freude darüber, dass ich vieles mitgestalten konnte, Entwicklungen und auch die Weise des Umgangs miteinander.
Frage: Welche Ereignisse werden Ihnen aus Ihrer Amtszeit am stärksten in Erinnerung bleiben?
Sr. M. Sabine Adam CJ: Die Schließungen waren sehr schwere Ereignisse, die einen langen und sorgfältigen Vorlauf erforderten. In Ergänzung dazu war es sehr wichtig, die verschiedenen Altersgruppen zusammenzuholen, um sich im gemeinsamen Austausch zu stärken und sich mehr zu profilieren, was Ordensleben heute bedeutet.
Frage: Welche Erfahrungen haben Sie am stärksten geprägt?
Sr. M. Sabine Adam CJ: Die Erfahrung, dass alle guten Pläne nichts nützen, wenn sich die Schwestern nicht überzeugen lassen. Das war auf der einen Seite die Erfahrung von Ohnmacht. Auf der anderen Seite wuchs auch eine Gelassenheit, dass jede Schwester im Letzten selbst verantworten muss, was sie tut.
Frage: Welche Herausforderungen sehen Sie für die Kirche und Ordensgemeinschaften in der Kirche für die nächsten Jahre?
Sr. M. Sabine Adam CJ: Ich sehe als Herausforderung, den Weg zu finden zwischen einem Glaubens- und Ordensleben, das spirituell ehrlich und zeitgerecht ist und dem Auftrag, Salz zu sein, d.h. anzuecken, sich quer zu stellen zum Mainstream, sich zu unterscheiden.
In Bezug auf unser Sendungsverständnis sehe ich als Herausforderung, zwischen dem Charisma der einzelnen, das es zu achten gilt, und den Aufgaben, die von der Congregatio Jesu, der Kirche und der Not der Welt als wichtig gesehen werden, eine Balance zu finden, die die Schwestern fordert, aber nicht überfordert.
Frage: Was wünschen Sie sich für die Zukunft – Ihre und die der Congregatio Jesu?
Sr. M. Sabine Adam CJ: Dass wir auf dem Weg bleiben im Bewusstsein, dass sich die Gemeinschaft verändern wird. Dass wir aufgeschlossener werden für Vernetzung mit „allen Menschen guten Willens“. Dass wir in unserem Glauben nie in Routine verfallen, sondern uns den geistlichen Aufgaben stellen, so wie sie sich uns zeigen.
Das Interview führte Esther Finis.