Unterwegs auf den Spuren Mary Wards
Schwestern und Gefährtinnen in St. Omer und Lüttich
St. Omer/Lüttich. Auf den Spuren von Mary Ward und ihren ersten Gefährtinnen pilgerten in der Woche nach Ostern 23 Schwestern der Congregatio Jesu gemeinsam mit Gefährtinnen. Die erste Station führte die Reisegruppe aus allen Teilen Deutschlands nach St. Omer in Nordfrankreich. Dort, wo Mary Ward zunächst in ein Klarissenkloster eingetreten war und danach den Wunsch entwickelte, ein Klarissenkloster für Engländerinnen zu gründen, begann 1609 schließlich das Institut. Die Stadt in der Nähe der französischen Küste ist demnach eine wichtige Stadt für das Institut, das Mary Ward gegründet hat.
Organisiert und inhaltlich sowie geistlich geleitet hatten die Reise Schwester Monika Glockann, Mitglied des Provinzrates und Oberin der Gemeinschaft in Hannover, Schwester Beatrix Meisner, Oberin in München-Nymphenburg und eine der Kontaktschwestern für die Gefährtinnen, sowie Gefährtin Dana Plácido De Silvestre.
Innerhalb der alten Straßen und Häuser erinnert heute nur noch wenig an die Gründerin der Congregatio Jesu. Doch mit aufmerksamem Blick kann man noch viele der Stationen finden, an denen Mary gelebt und gebetet hat.
So stand die Gruppe aus Schwestern und Gefährtinnen (nach einigem Suchen) vor dem Gebäude, in dem im 17. Jahrhundert das Kolleg der englischen Jesuiten untergebracht war, von dem Mary Ward erzählt, dass sie es bei ihrem ersten Besuch auf dem Festland noch im Reitmantel betreten habe, um Unterweisung für ihren Ordenseintritt zu erhalten. Auch die Grundmauern des ehemaligen Klarissenklosters – heute eine moderne Wohnanlage – sowie die (leider baufällige und verschlossene) Kirche St. Denis in der Rue St. Bertin, in der Mary und die anderen Laienschwestern der Klarissen vermutlich zur Messe gingen, sind noch zu sehen. Ebenso die „marais“, das fruchtbare Sumpfgebiet am Rande der Stadt, in dem Mary Ward für die Klarissen betteln musste.
Zwei Orte waren für die Reisegruppe besonders beeindruckend: Das Haus, in dem Mary und die ersten Gefährtinnen ab 1609 gelebt hatten und das in der Folge zahlreiche neue Gefährtinnen anzog an der Ecke von Rue Carnot und Rue des Bleuets. Und die Kathedrale von St. Omer, in der heute die „Muttergottes von den Wundertaten“ steht, vor der Mary Ward gebetet hat, und in deren Kapelle die Schwestern und Gefährtinnen eine Messe mitfeiern konnten.
Von St. Omer aus entdeckten die Pilgerinnen auch die Küste von Calais und damit die Region, in der Mary Ward bei ihren Überfahrten aus England den Boden des europäischen Festlands betreten hatte. Neben der klaren Sicht auf die Kreidefelsen der englischen Küste blieben den Frauen vor allem die hohen Grenzzäune eindrücklich in Erinnerung. Der Blick auf eines der Flüchtlingslager vom „Dschungel von Calais“, der aufgrund der unmenschlichen Situation, in der Flüchtlinge dort ausharren , traurige Berühmtheit erlangt hat, und die gleichzeitige Erinnerung von Mary Wards ersten Schritten als Flüchtling auf dem europäischen Festland schuf tiefe Eindrücke.
Auch in Lüttich gab es bewegende Erlebnisse: Zum ersten Mal öffnete die Besitzerin des Hauses gegenüber der Kirche St. Martin, in dem die Gemeinschaft ab Ende des Jahres 1616 gelebt hatte und das so viele dramatische Momente im Leben der Gründerin und ihres Instituts miterlebt hat, die Türen und ließ Schwestern und Gefährtinnen einen Blick hinter die Mauern und in den Garten des Anwesens werfen. Bewirtet mit Wasser, belgischem Bier und Waffeln konnten die Frauen auch eine historische Glocke im Innenhof des Anwesens bewundern. Die Geschehnisse um die Schließung der Gemeinschaft im Jahr 1632, als Winefrid Wigmore dort gegen den Willen des Nuntius' die Gebetsglocke läuten ließ, wurden dadurch besonders lebendig.
Auch der Besitzer des Grundstücks in der Rue Pierreuse, auf dem das Noviziatshaus gestanden hat, begrüßte die Reisegruppe sehr offen. Erst seit 2012 ist bekannt, dass das in der Nähe gelegene Anwesen, das man lange für das Noviziatshaus gehalten hatte, ein Gutshof war und stattdessen ein Gelände auf der gegenüberliegenden Straßenseite das richtige Anwesen sein muss. Entdeckt hat dies ein Lütticher Stadtarchivar, der es sich nicht nehmen ließ, die Reisegruppe selbst auf den Spuren von Mary Ward durch Lüttich zu führen. Dabei wurden auch das erzbischöfliche Palais und das Kolleg der englischen Jesuiten in Lüttich – zumindest von außen – besucht.
Historiker Bruno Dumont, der die neue, richtige Zuordnung der Gebäude in der Rue Pierreuse entdeckt hatte, erzählte zudem davon, dass er seine Forschungen zu diesem Stadtviertel fortsetzt und versprach, die Congregatio Jesu zu verständigen, falls er weitere Details zum Aufenthalt von Mary Ward und den Anfängen des Instituts in Lüttich herausfinden. Text und Fotos: Esther Finis