„Unsere Berufung ist es, unterwegs zu sein.“: Studientag mit Sr. Martha Zechmeister CJ aus El Savador

„Erlösung kommt von unten“ – diesen Satz bekamen die 85 Teilnehmerinnen am Studientag der CJ in München gleich mehrfach zu hören. Offensichtlich war es eine zentrale Aussage im reichhaltigen Vortrag von Sr. Martha Zechmeister CJ, die seit zehn Jahren in El Salvador lebt und Professorin für Systematische Theologie an der dortigen Universität der Jesuiten ist.

Sr. Sabine Adam CJ begrüßte als Provinzoberin Sr. Martha sehr herzlich und freute sich sichtlich, dass sich so viele CJ-Schwestern, Gefährtinnen und Frauen mit einer Verbindung zur Congregatio Jesu zum Studientag im Provinzialat auf den Weg gemacht hatten. Die große Resonanz zeige das enorme Interesse an der Sendung von Sr. Martha – und damit an der Präsenz der Congregatio Jesu – in El Salvador. Im Lauf des Tages erhielten die Teilnehmerinnen dann auch viele Informationen, Eindrücke und Anregungen.

Sr. Martha berichtete über die geographische und politische Situation in El Salvador, über dieses von extremer Ungleichheit und „irrationaler Gewalt“ geprägte Land. In einem weiteren Schritt ging sie auf die Bedeutung ein, die Oscar Romero, aber auch die sechs Jesuiten, die 1989 ebenfalls ermordet wurden, für das Land und die Kirche in El Salvador hatten und haben; darüber hinaus sprach sie über die Arbeit der Universität der Jesuiten in der Tradition Oscar Romeros sowie ihre eigene Aufgabe dort. Ihre Hausgemeinschaft mit salvadorianischen Studentinnen aus armen Verhältnissen – die auch mit der Unterstützung der CJ ermöglicht wird – wurde durch viele Bilder und Erzählungen lebendig. Derzeit leben zwölf Frauen in diesem Haus, neben Sr. Martha sind dies zwei CJ-Schwestern aus Lateinamerika und neun weitere Studentinnen. Schließlich berichtete sie von einem aktuellen Projekt der Universität, „Gewalt und Erlösung“, dessen Ausgangspunkt der Bericht von Opfern von Gewalt ist.

Wie kann das Evangelium immer wieder neu buchstabiert werden in einem Land, das von dieser Geschichte, von Bürgerkrieg, Ungerechtigkeit und so viel Gewalt geprägt ist? Wie lässt sich die Tradition der Befreiungstheologie heute fortführen? – Dies sind die Fragen, um die der Vortrag von Sr. Martha immer wieder kreisten. Klar ist, dass die Armen, ihre Erfahrungen und Sehnsüchte im Zentrum stehen müssen. „Den Menschen, deren Leidsituation zum Himmel schreit, das Evangelium zu verkündigen“, so beschreibt Sr. Martha die große Herausforderung, aber auch die besondere Freude ihrer Aufgabe in El Salvador. Dass die Erlösung von unten kommt, bedeutet eben auch, dass es kein Heil außerhalb der Armen geben kann.

El Salvador und die Präsenz der Congregatio Jesu dort scheinen weit weg zu sein? Damit dieses Gefühl erst gar nicht aufkam, gab es nach dem Mittagessen einen Austausch der Teilnehmerinnen in Kleingruppen. Ausgangspunkt dort war ein Zitat von Dorothee Sölle: „Da kann man halt nichts machen, ist der gottloseste aller Sätze.“ Denn leicht kommt angesichts der großen geographischen Distanz, der Ungerechtigkeit und der undurchsichtigen politischen und wirtschaftlichen Zusammenhänge ein Gefühl von Ohnmacht und Resignation auf. Aber jede kann etwas zu einer menschlicheren und gerechteren Welt beitragen.

Sr. Martha betonte damit, dass christliche Liebe in dem Realismus bestehe, der die Realität mit offenen Augen wahrnimmt und ihr standhält, ohne in die Ohnmacht zu kippen. Vielmehr sei es wichtig, sich dessen bewusst zu sein, dass die eigenen Möglichkeiten begrenzt sind, das Mögliche aber auch zu tun. „Die Hoffnung ist das widerständige Potenzial, das stur ist und die kleinen Schritte zu setzen versucht, die möglich sind.“ Durch salvadorianische Lebensgeschichten machte Sr. Martha die Armen, die Opfer von Ungerechtigkeit und Gewalt, auch den Teilnehmerinnen lebendig und förderte so die Bereitschaft der Teilnehmerinnen, sich von dem Gehörten und Geschauten verletzen zu lassen – ein zentraler Aspekt der Befreiungstheologie.

Die hohen Erwartungen der Teilnehmerinnen wurden nicht enttäuscht. So formulierte Sr. Cristina Irsara CJ aus Meran: „Ich bin zum Studientag gekommen, weil mir die universale Sendung so wichtig ist; für die Armen zu leben, heißt doch wirklich, das Evangelium zu leben.“ Bis zum Abschluss war die Aufmerksamkeit der Teilnehmerinnen groß, sie dankten Sr. Martha mit langem Applaus für ihren Vortrag, noch mehr aber für ihren Einsatz in El Salvador. Auch für Sr. Martha war die Resonanz eine Ermutigung: „Dass so viele Mitschwestern gekommen sind, empfinde ich als eine Stärkung meiner Sendung und damit der Präsenz der CJ in El Salvador.“

 

Hintergrund:

Sr. Martha Zechmeister lehrt seit zehn Jahren systematische Theologie, mit den Schwerpunkten Theologische Antrophologie und Spiritualität an der UCA, der Universidad Centroamericana “José Simeón Cañas” in San Salvador. In der Haupsttadt El Salvadors lebt sie zusammen mit neun Studentinnen und derzeit zwei Mitschwestern aus Brasilien und Chile.

Eigentlich wollte die gebürtige Österreicherin beim Ordenseintritt vor fast 40 Jahren nach Indien. Nach ihrer Promotion und Habilitation kam sie eher zufällig auf El Salvador, durch die Bemerkung eines Freundes. Es folgten ein Jahr Gastprofessur, sowie neun Jahre, in denen sie zwar als Professorin in Passau lehrte, aber immer den Kontakt hielt. Seit 2008 ist sie Professorin für Systematische Theologie an der UCA und seit 2012 auch Direktorin des Masterstudiengangs "Teología Latinoamericana".

Ihr zentrales Anliegen ist Gerechtigkeit – als eine Begegnung auf Augenhöhe, die den Anderen in seinem Anderssein wahrnimmt. Bezogen auf die Gewalt durch die Bürgerkriege in El Salvador und aktuell die Banden, die sogenannten Maras, bedeutet das: den Opfern ganz konkret eine Sprache und damit Souveränität zurückgeben. International versteht sie darunter eine Dialog auf Augenhöhe zwischen Europa und Lateinamerika, in dem die Kompetenzen aller Beteiligten ebenbürtig eingebracht werden.

 

Text und Bilder: Sr. Anna Schenck CJ
Portrait: Sr. Birgit Stollhoff CJ