Seit einem halben Jahr arbeiten Sr. Cosima Kiesner CJ und Sr. Gabriele Martin CJ im Allgäu
Pfronten. Sr. Cosima Kiesner CJ knüpft Fäden. Keine aus Stoff, sondern spirituelle. Dabei ist Konzentration gefragt, denn bei ihr laufen einige dieser „Fäden“ zusammen. So ist Sr. Cosima Leiterin des Zentrums Maria Ward, das seit der Übergabe des Augsburger Gebäudes an einen Mieter beim Provinzialat der Congregatio Jesu in München angesiedelt ist. Aber die inhaltlichen Themen setzt Sr. Cosima von ihrem neuen Wirkungsort in Pfronten aus. Hier, im Allgäu, leitet sie auch den „Neuen Weg“ des Bischöflichen Jugendamts Augsburg mit Angeboten für Mädchen und junge Frauen zwischen zehn und 28 Jahren. Viele dieser Angebote finden im Haus St. Hildegard statt, das seit einem halben Jahr von Sr. Gabriele Martin CJ geleitet wird. Außerdem ist Sr. Cosima eine gefragte Referentin zur ignatianischen Spiritualität. So ist sie gerade von der Noviziatsschule in Köln zurückgekehrt, wo sie vier Tage zum Thema „Unterscheidung der Geister“ gestaltet hat.
Vertiefung des Glaubens
„Meine Hauptaufgabe ist die Leitung des ‚Neuen Wegs‘. Da versuche ich gerade, die Mädchen kennenzulernen“, berichtet Sr. Cosima. Etwa 2000 Namen enthält die Datenbank, darunter sind zwischen 300 und 400 Aktive. Zu Regionaltagen wie kürzlich in Wittislingen kamen 20 Mädchen. Drei davon haben sich für einen Sommerkurs in Pfronten angemeldet. „Die Mädchen suchen ganz idealistisch eine Vertiefung ihres Glaubens“, beschreibt Sr. Cosima deren Motivation. Von denen, die sich beim Neuen Weg andocken, ergreifen einige später sogar einen kirchlichen Beruf. Sr. Cosima berichtet davon, dass die Gottesdienste des Neuen Wegs liedbetont seien und dass die Möglichkeit zum freien Gebet gerne angenommen werde. „Wenn 25 Mädchen am Gottesdienst teilnehmen, gibt es bestimmt 15 frei formulierte Fürbitten“, berichtet sie.
„Ich erlebe hier eine offenere Haltung bei den jungen Leuten was Religion angeht. Glaube ist hier nichts Abzulehnendes“, analysiert Sr. Cosima und attestiert den Menschen in der Region „eine größere Sensibilisierung für Religiöses“. Wer an drei Kursen des „Neuen Wegs“ teilgenommen hat, kann eine engere Anbindung an die Gemeinschaft beantragen. Die Mädchen schreiben dazu einen Brief, was ihnen der Glaube bedeutet und erhalten dann in einem Gottesdienst ein Medaillon, das sie an ihren eigenen spirituellen Weg erinnern soll. „Das ist für manche ein durchaus bewegender Moment“, weiß Sr. Cosima. Ab dann erhalten sie regelmäßige Impulse für ihr eigenes spirituelles Leben, zum Beispiel in Form von Briefen zum Geburtstag. Den allgemeinen Ausdruck dafür ergänzt Sr. Cosima immer um einen persönlichen Absatz.
Zum Beispiel Wanderexerzitien
Die Ordensfrau knüpft noch weitere spirituelle Bande: So gibt es verschiedene Überlegungen, gemeinsame Veranstaltungen mit der Pfarrgemeinde durchzuführen. Das Tourismusbüro freut sich, dass es wohl bald schon Veranstaltungen gibt, an denen Urlauber teilnehmen können, etwa Wanderexerzitien. Und nicht zuletzt wollen kirchliche Verbände aus der ganzen Diözese Augsburg Besinnungstage oder Exerzitien im Haus St. Hildegard abhalten. „Sr. Gabriele und ich wollen eine gute Mischung schaffen. Einerseits ein eigenes, gut strukturiertes Angebot und zugleich Offenheit für die, die kommen wollen.“
Mittlerweile ist auch Sr. Gabriele Martin CJ eingetroffen, die das Haus St. Hildegard leitet. Acht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind hier neben den beiden Schwestern beschäftigt. Gerade reisen zwei Schülergruppen ab, was allen erhöhte Aufmerksamkeit abverlangt: Rechnungen werden bezahlt, Flaschen zurückgegeben, Postkarten gekauft, Hausschuhe gesucht, Nachzügler gesucht… alles gleichzeitig. „Hausleitung ist Action pur und manchmal auch Erziehung“, berichtet Sr. Gabriele und erzählt von dem Jungen, der um 7:10 Uhr ohne Klopfen zu ihr ins Büro gestürmt sei, weil er seine Getränke zahlen wollte. Sie hat ihn daraufhin noch einmal hinausgeschickt mit dem Kommentar „Moment. Das üben wir noch einmal. Erst anklopfen, dann warten, bis du ‚herein‘ hörst, dann ‚Guten Morgen‘ sagen…“
Klare Linie
Ihr verschmitztes Lächeln verdeutlicht, dass sie solchen zwischenzeitlichen Erziehungsmaßnahmen nicht aus dem Weg geht. Sr. Gabriele Martin CJ ist nicht nur die „Mutter für alle“, sondern ihre Tätigkeit hat noch viele andere Facetten: koordinierende, pädagogische, beruhigende, schlichtende, geistlich begleitende und manchmal auch handwerkliche. „Unser Hausmeister kommt für sechs Stunden pro Woche. Zwischendrin müssen wir auch selbst einmal eine Glühbirne auswechseln können“, erklärt sie. Für sie ist das kein Problem.
„Wichtig ist eine klare Linie: Alle müssen gleich behandelt werden. Wenn es heißt, dass hier alle Hausschuhe tragen müssen, dann gilt das auch für die Erwachsenen“, nennt sie ein Beispiel. So könnten sich auch die Mitarbeiterinnen darauf verlassen, dass sie nicht von verschiedenen Gruppen auf ausgehandelten „Sonderstatus“ hingewiesen würden. Gut strukturierte Häuser mit klaren Regeln seien ihr selbst auch als Gast immer am liebsten gewesen.
Sr. Gabriele Martin CJ macht im Haus St. Hildegard auch erlebnispädagogische Angebote, die im Programm ausgeschrieben werden. Zum Haus hat sie selbst eine lange Beziehung. „Hier war ich selbst schon als Schülerin“, erinnert sich Sr. Gabriele, die ursprünglich aus Kaufbeuren stammt. Deshalb spricht sie auch den Dialekt der Region, was den zwischenmenschlichen Kontakt manchmal erleichtern kann. Die Mitarbeiterinnen seien alle „super nett“. Demnächst kommt ein „Bufdi“, also jemand, der Bundesfreiwilligendienst leistet.
Die Zwischenbilanz nach einem halben Jahr im Allgäu fällt gut aus für die beiden Schwestern.
Text und Fotos: Gabriele Riffert