Schwester Magdalena zieht in der "Wolke 7" ein

Im Südosten von Hannover entsteht ein neues Stadtviertel. So weit, so alltäglich. In den vergangenen Jahrhunderten oder Jahrzehnten wären dabei von den Stadtplanern ganz selbstverständlich auch Kirchen und Gemeindezentren mit entwickelt worden. Doch das ist in Kronsrode im Jahr 2024 nicht mehr der Fall.

Dennoch soll Kirche, Religiosität und Gemeinschaftihren Platz in diesem Viertel haben: Und so ist der "Arbeitsplatz" von Sr. Magdalena Winghofer nun kein Gemeindehaus mehr und auch keine Kirche - sondern ein Ladenlokal in einem der vielen neu entstandenen Wohnblocks.

Dort - in der "Wolke 7" konnte sie nun, nach über zwei Jahren Arbeit, endlich Eröffnung feiern.  Zu diesem Anlass ist Ende September in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung ein Portrait über Sr. Magdalena erschienen, das Sie hier lesen können:

Das goldene Kreuz hängt im Ladenlokal "Wolke 7", dem neuen Arbeitsplatz von Sr. Magdalena Winghofer CJ.
© Bild: Magdalena Winghofer

Ihr Blick schweift über Bauzäune, Geröllhalden und Neubauten. Kronsberg-Süd gilt als das größte Neubaugebiet Niedersachsens – bis zu 8500 Menschen sollen hier einmal leben. Ein Stadtteil der Zugezogenen. „Überall ist eine Atmosphäre des Aufbruchs spürbar, hier herrscht Pioniergeist – das gefällt mir“, sagt Magdalena Winghofer und lacht.

Die katholische Ordensschwester lacht gerne. Sie lebt selbst erst seit zwei Jahren in Hannover. Die energiegeladene 42-Jährige, die meist mit dem Fahrrad unterwegs ist, wohnt am Aegi im Haus ihres Ordens, der Congregatio Jesu. Als Angestellte des Bistums Hildesheim ist die gebürtige Stuttgarterin in besonderer Mission unterwegs: Sie kümmert sich als „Projektreferentin Kirche im Neubaugebiet“ um Kronsrode und die Wasserstadt Limmer.

„Ich verstehe mich als Seelsorgerin für alle Menschen hier, unabhängig von ihrer Konfession“, sagt Schwester Magdalena. Kronsrode ist ein Stadtteil, der – früher undenkbar – ohne eigene Kirche geplant wurde. „Wir wollen hier dennoch präsent sein“, sagt Thomas Kellner, Pfarrer der katholischen Gemeinde Heilige Engel in Kirchrode, zu deren Gebiet Kronsberg-Süd zählt – und die dadurch zu den wenigen Gemeinden zählt, die derzeit ein rasantes Wachstum zu verzeichnen haben.

„Viel Raum für Fantasie“

Als Schwester Magdalena vor zwei Jahren in Kronsrode ankam, gab es hier vor allem Baugruben und Kräne. „Und es gab viel Raum für Fantasie“, sagt die 42-Jährige. Die Ordensfrau besuchte Zugezogene, unterstützte Geflüchtete, richtete Heiligabend eine Open-Air-Krippenfeier aus und initiierte gemeinsame Straßenerkundungen. Weil es noch keine Spielplätze gab, stellte sie Spielaktionen für Kinder auf die Beine. Und weil Ältere sich einsam fühlten, organisierte sie ein Nachbarschaftscafé für Senioren. „Sie macht Sozialarbeit, die wir nicht leisten könnten“, sagt Bürgermeister Thomas Klapproth über die umtriebige Frau.
 

„Ich wollte hier immer einen Platz einrichten, an dem es nicht um Kaufen, Arbeiten und Leistung geht“, sagt Schwester Magdalena, „einen Platz, der Raum für Freude, Trauer und die großen Fragen des Lebens bietet.“ Diesem Traum ist sie jetzt einen großen Schritt näher gekommen: Im Ladenlokal eines Wohnblocks hat jetzt ihr Projekt „Wolke 7″ seine Pforten geöffnet.

Ein Video des NDR über die Entstehung des neuen Stadtviertels Kronsrode:

In einem Gruppenraum können Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft zusammenkommen. Daneben hat der evangelische Pastor Axel Kawalla einen „Raum der Stille“ künstlerisch gestaltet. In einem blauen Fenster zeichnen sich menschliche Silhouetten ab. An der Wand prangt eine goldene Scheibe, die kreuzförmig gebrochen ist. „In diesen Kreis ist die Brüchigkeit des Lebens eingeschrieben“, sagt Kawalla. Besucher können hier Gedanken in ein Fürbittenbuch eintragen oder beschriebene Zettel zwischen Steine stecken – die Räume stehen tagsüber offen. Ein festes Programm für „Wolke 7″ gibt es nicht. Das Ganze ist auch ein Experiment: „Was sich hier entwickelt, wird sich aus den Anfragen ergeben“, sagt Schwester Magdalena. Denkbar wären Treffen für Trauernde. „Doch vor allem soll dies ein Ort sein, den Menschen aus dem Stadtteil selbst gestalten können“, sagt sie. „Ich bin selbst gespannt, was werden wird.“

Neues Bild von Kirche

In dem Projekt zeigt sich auch ein gewandeltes Selbstverständnis von Kirche: Sie ist nicht missionarisch unterwegs, sondern im Dienst aller Menschen. „,Wolke 7′ ist keine Kirche – aber trotzdem ist Kirche hier“, meint Pastor Ole Großjohann-Lenzen von der evangelischen Johannis-Gemeinde, der schon diverse Projekte mit Schwester Magdalena initiiert hat.

Die Ordensfrau hat schon an vielen Orten gelebt. Sie arbeitete in Mainz, auf Kuba und in Spanien, sie war Stadtjugendseelsorgerin in Nürnberg. „Ich habe keine Heimat im engeren Sinne“, sagt die engagierte Netzwerkerin. „Zu meiner Spiritualität gehört, dass ich mich dort bereithalte, wo ich gebraucht werde.“ Erst mit 16 Jahren habe sie einen tieferen Zugang zum Glauben gefunden. Sie wurde Oberministrantin, spielte in einer Kirchenband, studierte Theologie – und trat 2007 in ihren Orden ein. Als „Nonne von Kronsrode“ ist sie im Quartier bekannt, obwohl man Schwestern ihres Ordens eigentlich nicht als Nonnen bezeichnet und Kronsrode offiziell Kronsberg-Süd heißt. Mit „Wolke 7″ hat sie jetzt mitten in dem ansonsten kirchenlosen Viertel ihre neue Bestimmung gefunden. „Die frohe Botschaft wird eben nicht durch Kirchtürme bezeugt“, sagt Christian Hennecke, der die Räume als Vertreter des Bistums Hildesheim bei der Einweihung segnete.

Als Seelsorgerin habe die Schwester ein Ohr für alle, attestiert ihr Bezirksbürgermeister Bernd Rödel. „Wenn ich Neubürger frage, was sie an Kronsberg-Süd mögen, fällt immer wieder ihr Name“, sagt der SPD-Mann. „Sie muss vieles richtig gemacht haben – mit Gottes Hilfe.“

Wolke 7″ liegt an der Rosalind-Franklin-Allee 80.

 Autor: Simon Benne.

Dieser Text ist zuerst bei der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" erschienen.

Weitere Bilder von der Eröffnungsfeier: