Retro-Kochbuch aus Archiv in Bamberg neu erschienen
Kochen ist ein wichtiger Teil des Lebensstils. Was, von wem, wie und aus welchen Zutaten wird gekocht? Eine andere Frage, die viele für sich selbst beantworten können, die aber oft weniger öffentlich diskutiert wird, ist die nach der "Schule" des eigenen Stils: Habe ich Kochen eigentlich gelernt? Und falls ja: wie oder von wem?
Vor fast hundert Jahren unterrichtete Schwester Elfriede Brönner am Wirtschafts-lehrerinnenseminar der Englischen Fräulein (heute: Congregatio Jesu) in Aschaffenburg. Das Seminar bildete Lehrerinnen aus, die andere Frauen wiederum in allen Bereichen des Haushaltens unterrichteten. Zwei Schwestern der nachfolgenden Generation haben in gemeinsamer Arbeit ein Kochbuch, das für den Unterricht – damals noch in deutscher Schrift – entstand und benutzt wurde, transkribiert und als Geschenkbuch mit Hardcover veröffentlicht. Es ist seit Dezember 2023 im allgemeinen Buchhandel erhältlich.
Dieses Kochbuch besitzt mehrere Besonderheiten. Zum einen bildet es so getreu wie möglich das von Schwester Elfriede handgeschriebene Buch ab, ohne viel editorische oder redaktionelle Bearbeitung. Dadurch wird sichtbar, dass im Zentrum der Aufmerksamkeit bzw. der Verschriftlichung nicht die einzelnen Zutaten und auch nicht der Zubereitungsprozess standen, sondern das "Menü", die Kombination: Vorspeise, Bestandteile der Hauptspeise, Nachspeise.
Man taucht mit dem Buch ein in eine Kochkultur der Großeltern – oder der eigenen Kindheit, je nach eigenem Geburtsjahrgang. Wenn man die Menüs nachkochen will – was möglich ist – und Details der Zubereitung, die Schwester Elfriede voraussetzte, nicht (mehr) im Kopf hat, kann man glücklicherweise heute problemlos anderswo nachschlagen. Das Buch ist "retro" – und ermöglicht gerade so einen Blick in eine damals moderne, frische Küche. So, wie sie mit Wirtschaftlerinnen geübt wurde! Dabei ist auch interessant, dass gelegentlich die Kosten der Zutaten mit erwähnt werden. Auch die finanzielle Begrenzung der Haushalte wurde im Unterricht damals also beachtet.
Zum anderen hat Sr. Beate Neuberth CJ mit farbenfrohen Aquarellen aus ihrer Feder, die im Buch mit abgedruckt sind, fast einen Kunstband aus dem Kochbuch werden lassen. Dadurch ist das Buch so etwas geworden wie eine Liebeserklärung zwischen den Generationen von Schwestern.
Vor jahrhundertealten Archivalien, zum Beispiel den Briefen Maria Wards, stehen immer viele Leute andächtig, aber vor einem so relativ jungen Buch geschieht dies eher selten. Dokumente, denen man noch keinen "Alterswert" ansieht, sind sogar oft in Gefahr, einfach als "altes Zeug" im Papierkorb zu verschwinden. Und wenn sie doch den Weg ins Archiv glücklich schaffen, finden sie trotzdem zunächst oft lange viel weniger Aufmerksamkeit.
Ein solches zeitgeschichtliches Zeugnis der Unterrichtstätigkeit der Schwestern ist aber nicht uninteressant. In den vergangenen hundert Jahren hat sich viel verändert im Blick auf Kochen und Essen. Die Verzierung des Bändchens mit Aquarellen gibt der Wertschätzung dafür Sichtbarkeit. Man kann es auch einfach als Zeichen der Verbindung aufschlagen und betrachten.
Hier die bibliographischen Angaben:
Ulrike Dimler CJ, Beate Neuberth CJ (Hg.), Kochbuch des Wirtschaftslehrerinnen-Seminars der Englischen Fräulein Aschaffenburg von Sr. Elfriede Brönner IBMV, Congregatio Jesu Mitteleuropäische Provinz (Selbstverlag) 2023, gedruckt bei Epubli, 80 S., gebunden, ISBN 9783758447389.
Text: Sr. Britta Müller-Schauenburg CJ
Aquarelle: Sr. Beate Neuberth CJ
Das Kochbuch im Alltags-Test
Sabine Spangler ist eine der Gefährtinnen Mary Wards und hat das Kochbuch von Schwester Elfriede zu Hause. Sie hat nicht nur in den rezepten gestöbert, sondern einige auch schon ausprobert. Hier ist ihr "Test-Bericht".
Kochbuch Anno 1935
Als meine Großmutter ( geb. 1918) 2001 im Sterben lag, habe ich viele Stunden wachend an ihrem
Bett verbracht. Die gemeinsame Zeit lief vor meinem inneren Auge wie ein Film ab und nicht
selten ruckelte dieser Film, wenn mir schmerzhaft bewusst wurde, dass ich doch so vieles noch
gern von ihr gewusst hätte ...
Unter anderem waren das auch Rezepte, Hausmannskost, die man nie in irgendeinem Restaurant
auf der Speisekarte finden würde, in die ich mich als Kind aber "reinlegen" konnte. Und meine Hoffnung, im "Kochbuch Anno 1935" fündig zu werden, wurde tatsächlich erfüllt. Zum Beispiel auf Seite 17: Kirschpolster!
Eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass ich die Mengenangaben eines Wirtschaftslehrerinnen-
Seminars zunächst von "Kompaniestärke" auf einen Single-Haushalt herunter brechen müsste,
aber glücklicher Weise sind die Portionsangaben dann doch eher auf die "übliche Familienstärke" ausgelegt. Also alles in Ordnung, als Single ist man es gewohnt, zwei Tage von einem Gericht zu zehren, sofern nicht spontan hungrige Kinder einfallen, oder man reduziert die Mengen eben entsprechend.
Letzteres ist aber nicht zwingend der beste Weg. Als "kulinarischer Einzelkämpfer" bleiben öfter
Schnittbrötchen zuhauf im Bröselzustand übrig und Sr. M. Elfriede Brönner scheint mir eine
Künstlerin in Sachen Verwandlung von Semmelresten in Köstlichkeiten gewesen zu sein. Dazu
gehört zum Beispiel auch besagtes Kirschpolster. Mein vertrocknetes Baguette hat somit gleich
eine sinnstiftende wie schmackhafte Verwendung gefunden. (siehe Foto oben in der Collage).
Aber natürlich bin ich auch auf Rezepte gestoßen, die mir völlig neu sind und meiner
Experimentierfreude sehr entgegenkommen. Zugegeben, bei der Einlaufsuppe gingen meine
Assoziationen zunächst in eine ganz falsche Richtung.
Bei erster Durchsicht der Rezepte wurde mir zudem klar, dass ich ohne Arrak den Nachspeisen-
Parcours nicht werde meistern können; ansonsten bin ich Sr. M. Elfriede Brönner unendlich
dankbar, dass alle Zutaten und Werkzeuge zur „"Regelbestückung" eines Haushaltes gehören und
KEIN Thermomix oder Smothie-Maker für deren Zubereitung erforderlich ist!
Nicht zuletzt dank der verführerischen Illustrationen kommen demnächst wohl die
Marzipankartöffelchen an die Reihe! Spätestens bis dahin werde ich Arrak im Haus haben! Überhaupt ist das ganze Buch sehr wertig in der Ausführung und facettenreich hinsichtlich der
Rezepte: Von deftigen Braten, über einfache Kost bis hin zu gefüllten Orangen, Bananen in
Blätterteig und ganzen Menüs, werde ich sicher lange meine Freude damit haben.
Text und Fotos: Sabine Spangler