Osterbrief von Provinzialoberin Sr. Cosima Kiesner CJ
An die Freunde Mary Wards
Liebe Freunde,
die heilige Woche hat begonnen, und die Welt ist in großer Bedrängnis. Wir erleben selbst diese Bedrängnis durch Einschränkungen in unserem Alltag, durch die täglichen schlimmen Nachrichten im Fernsehen, durch die konkrete Not in uns bekannten Familien, bei Freunden, Nachbarn, Mitschwestern. Die Sorglosigkeit und Sicherheit, in der wir uns vielfach bewegten, ist verloren gegangen. Jetzt ist unser Herz besorgt, ängstlich, unruhig.
Die biblischen Texte, die uns in dieser Woche begegnen, werden wir mit neuer Aufmerksamkeit hören, und hoffnungsvoll werden wir auf jede Zeile lauschen, die von Heil und Erlösung spricht. Der Weg dahin ist weit. Zuerst werden wir hineingenommen in das Mahl, bei dem sich Jesus von den Jüngern verabschiedet. Wir gehen mit in die Angst beim Gebet im Garten Getsemani und in das Chaos, in das die Jünger Jesu nach der Verhaftung Jesu geraten. Am Karfreitag dann müssen wir den Höhepunkt der Not ertragen: den Tod Jesu am Kreuz. Das ist das Ende. Der Tod ist das Ende. Diese Verzweiflung mussten die Jünger damals ertragen, und diese Verzweiflung ist uns auch jetzt so nah.
Mitten in der Finsternis dieses Erlebens hören wir dann vom Durchzug durch das Rote Meer. Dieser Ausschnitt aus dem Buch Exodus hat seit Jahrtausenden eine grundlegende Bedeutung für die jüdischen und die christlichen Gläubigen. Im Durchzug durch das Rote Meer hat das Gottesvolk die Uridee von Gottes Heilshandeln erfahren. Gott ist der, der aus der Not, aus der Verzweiflung, aus der Krise in neues Leben führt.
Diese Erzählung vom Durchzug durch das Rote Meer bietet uns viele Betrachtungsmomente an, in denen wir uns mit unseren eigenen Gefühlen und Gedanken verorten können:
- Da sind die Israeliten, die in Hast und Eile aufbrechen, von den Ägyptern bedrängt, in Angst, die Rosse und Wagen der ägyptischen Streitmacht könnten sie einholen.
Was sind die Bedrohungen heute, die uns einholen können, auch wenn wir versuchen zu fliehen? - Da ist das Rote Meer, ein scheinbar unüberwindbares Hindernis, das die Flucht hemmt. Und dem Volk bleibt nichts anderes übrig, als in diese Bedrohung, in dieses Risiko hineinzugehen.
Welche unüberwindbar scheinenden Hindernisse bauen sich vor uns auf? Hindernisse, die unsere Bedrängnis verstärken? Hindernisse und Risiken, in die wir hineingehen müssen, die durchschritten werden wollen? - Da ist diese unglaubliche Erfahrung des Volkes, dass der Weg trägt, dass Gott den Weg sichert, in dem Er die Fluten zurückhält. So kann das Volk durch das Meer ziehen, trotz der unsicheren und schwankenden Schritte.
Was erleben wir/was erlebe ich persönlich an Hilfe und Unterstützung, an Zeichen, die das Weitergehen ermöglichen? An Zuspruch? An Ermutigung? An Erfahrung, dass es weiter geht, auch wenn ich nicht weiß, wie? - Und schließlich ist da das Staunen über die Rettung. Das andere Ufer des Roten Meeres ist erreicht, die Bedrohung vernichtet. Ein neues Lied fließt aus dem Herzen über die Lippen.
Das andere Ufer, das ist die Rückgewinnung einer neuen Sicherheit: Wie fühle ich mich da? Was brauche ich, um zur Sicherheit zurückzufinden? Wie stelle ich es mir vor? Vielen Menschen wird eine Last vom Herzen fallen, wenn die Bedrohung durch das Corona-Virus beendet ist. Kranke werden neu aufatmen, wenn sie wieder gesund sind. Sterbende werden erleichtert sein, wenn sie diesen Weg ohne Rückkehr geschafft haben und glücklich im ewigen Leben angekommen sind. Was ist meine Vorstellung von Glück und Sicherheit? Was ist meine tiefste Bitte an Gott?
In der Erzählung vom Durchzug durch das Rote Meer deutet sich das Handlungsmuster Gottes an, das sich im Ostergeschehen in unüberbietbarer Weise vollendet: Gott ist ein Gott der Lebenden. Die Krise, die Bedrohung, das Leid und der Tod haben keine Macht. Am Ende steht die Befreiung, das Leben, die Auferstehung – und der neue Gesang, das Loblied auf den rettenden Gott.
In diesem Jahr 2020, in der Feier des Hochfestes von Ostern, im schmerzlichen Vermissen der sonst so erhebenden Liturgie dieser Festtage ist unser Glaube gefordert, mehr als je zuvor: Glaubst Du, dass ich die Welt – glaubst Du, dass ich Dich retten kann?
Jede_r von uns kann persönliche Antwort geben: im Beten des Großen Glaubensbekenntnisses oder im frei formulierten Bekenntnis zu Jesus.
Christus ist auferstanden! Und auch wir werden auferstehen, denn Er wird uns retten. Halleluja!
Frohe und gesegnete Ostern.
Ihre
M. Cosima Kiesner CJ
Osterbrief von Sr. M. Cosima herunterladen (PDF)
79,48 KB