Ordensjubiläum in Nymphenburg

Am 13. Juli ist in der Kommunität in Nymphenburg großer Feiertag: Sechs Schwestern feiern ihr Ordensjubiläum – von den jungen Hüpferinnen, die „erst“ 60 Jahre dabei sind, bis zur alten Häsin Sr. Uta, die 70 Jahre Ordensjubiläum feiert.

Sr. Ursula Garnhartner hat die „Englischen“ schon früh kennengelernt. Als Schülerin im Gymnasium Nymphenburg hatte sie Gelegenheit, deren Arbeit aus nächster Nähe zu studieren. Schon von klein auf war ihr klar, dass sie Lehrerin werden wollte: Eigentlich sollte BWL das Studium der Wahl sein, bis sie im Lateinunterricht zur Lektüre philosophischer Schriften kam: „Da war es um mich geschehen. Ich musste Latein studieren.“

Mit 21 Jahren trat Sr. Ursula in den Orden ein, studierte Latein und Theologie. Nach der Referendariatszeit in der fränkischen Diaspora war sie 32 Jahre in Regensburg Lehrerin und zuletzt auch Schulleiterin an dem dortigen Maria Ward-Gymnasium. In Regensburg gestaltete sie viele weiterführende Angebote, wie Besinnungstage für Lehrer:innen und das „Kloster auf Zeit“.

In den 60 Jahren, die sie im Orden gelebt hat, konnte Sr. Ursula viele Veränderungen bei der Congregatio Jesu beobachten: Als sie 1964 in den Orden eintrat, war sie eine von sieben Novizinnen. In der damaligen Provinz München-Nymphenburg waren sie 800 Schwestern. Die vielleicht wichtigste – und in ihren Augen auch sinnvollste - Veränderung kam 2004, als die verschiedenen Provinzen zur Mitteleuropäischen Provinz zusammengelegt wurden. Sr. Ursula betrachtet das auch ganz pragmatisch: „Wenn wir uns nicht zusammengeschlossen hätten, würde es uns heute vermutlich nicht mehr geben.“

2008, nach ihrer Pensionierung, kam sie dann in die Kommunität in Nymphenburg, wo sie nicht etwa die Füße hochlegte, im Gegenteil: Dank ihrer Latein-Nachhilfe lotste sie unzählige Schülerinnen bis zum Abitur und bekam zudem vom Provinzialat die Aufgabe erteilt, Quellen-Texte aus dem Lateinischen ins Deutsche zu übersetzen. Auch heute noch hilft sie im Archiv in Bamberg, Texte aus der deutschen Schrift in die lateinische Schreibweise zu übertragen, damit sie auch für künftige Generationen verständlich lesbar sind. Unter anderem konnte Sr. Ursula so die Berichte von Schwestern, die Mitte des 19. Jahrhundert nach Indien gingen, einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen.

Der vermutlich wichtigste Moment in ihrem Ordensleben kam für Sr. Ursula ganz am Anfang: „Für mich war das ganz eindeutig die Einkleidung, die Noviziatsaufnahme.“ Als es um die Frage ihres zukünftigen Ordensnamens ging, war sie, wie sie selbst zugibt, ein wenig übereifrig: „Da habe ich es etwas übertrieben: Ich hatte insgesamt 16 Namensvorschläge, darunter auch der schöne Name „Elektra“, da ich damals eine große Liebhaberin der griechischen Mythologie war.“ Auf Bitten der Oberin reduzierte sie die Auswahl auf die Hälfte, darunter war dann auch ihr heutiger Name: Ursula. Die Ordenskleidung legte Sr. Ursula vor zwölf Jahren ab, als sie nach Nymphenburg umzog. Auf einmal lebte sie mit wesentlich jüngeren Schwestern zusammen und hat sich ihnen in gewisser Weise angepasst. Trotzdem ist es ihr wichtig, auch in Zivil noch als Schwester zu identifizierbar zu sein – und das funktioniert erstaunlich gut.

Heute lebt Sr. Ursula im Pflegeheim des Dritten Orden in unmittelbarer Nähe zur Nymphenburger Kommunität. Dort kümmert sie sich um pflegebedürftige Mitschwestern. Zudem begleitet sie sterbende Schwestern auf ihrem letzten Weg und schreibt in ihrer freien Zeit weiter an der Chronik des Ordens.


Auch Sr. Raphaele Morschel trat als junge Frau in den Orden der Englischen Fräulein ein. Sie war 21 Jahre alt, als sie ins Noviziat ging, nachdem sie die Schwestern als Schülerin einer Maria-Ward-Schule kennen gelernt hatte.

Sr. Raphaeles Eintritt in einen Schwesternorden mit 21 Jahren war für ihre Mutter eine große Freude, die als Konvertitin ihre Tochter sehr religiös, aber auch sehr streng erzogen hatte. Bis heute fühlt sie sich immer vom heiligen Geist geführt: Wenn sie vor dem Problem steht, ihre Aufgaben priorisieren zu müssen, dann lässt sie sich vom heiligen Geist leiten und hat in der Rückschau festgestellt, dass sie fast immer die richtige Wahl getroffen hatte. Ein Ereignis diesbezüglich ist ihr dabei bis heute fest in die Erinnerung eingeschrieben: Bei einer Autofahrt am frühen Abend, als die Sonne sehr tief stand, wurde sie so stark geblendet, dass sie auf die Gegenfahrbahn geriet. Da noch rechtzeitig gegenzulenken, zurück auf die richtige Bahn und ohne Verletzungen oder andere Verletzte – da spürte sie, wie der heilige Geist über ihr gewacht hatte und sie geführt hat.  

Den größten Teil ihres Berufslebens verbrachte sie in Würzburg, wo sie ab 1980 lebte. Zunächst war sie drei Jahre Sekretärin, betreute Schülerinnen im Tagesheim und hatte Orgeldienst. Dann wurde sie auf Anregung ihrer Oberin Musiklehrerin und erinnert sich noch heute daran, in was für einer unguten Situation sie ihre abschließende Lehrprüfung absolvieren musste: In der 6. Stunde bei einer Klasse voller widerspenstiger 16-jähriger. Zum Glück ist es gut gegangen und so unterrichtete sie bis 2011 Musik in Würzburg. Kurz vor ihrer Pensionierung erhielt sie die Sendung nach Nymphenburg. Der konnte sie nur leider nicht nachkommen, da sie noch eine Inszenierung eines Mary Ward-Musicals fertig gestalten musste.

Auch in Nymphenburg, wo sie inzwischen doch hingefunden hat, konnte sie eines ganz sicher nicht: Die Füße stillhalten. Bis zur Corona-Pandemie arbeitete Sr. Raphaele neun Jahre ehrenamtlich mit Migrantenkindern, macht auch Besuchsdienst in den Pflegeheimen und als dann Not im Speisesaal war, übernahm sie auch dort ihre Aufgabe. Außerdem spielt sie weiter die Orgel, macht Fahrdienste für die Mitschwestern und Besuchsdienste. Sr. Raphaele sagt dazu: „Der liebe Gott hat immer dafür gesorgt, dass ich nicht meine Hände in den Schoß lege.“ Überhaupt, glaubt sie, dass gerade diese vielfältigen Aufgaben und Einbindungen ihr den Zuzug nach Nymphenburg leichter gemacht haben: „Ich glaube, wenn wir Schwestern keine Aufgaben hätten, würden wir uns lange nicht so gut eingewöhnen, wie es jetzt ist.“

Im Rückblick auf 60 Jahre in der Congregatio Jesu sieht Sr. Raphaele die Veränderung der Gemeinschaft vor allem in der Verschiebung der Akzente: Früher lag der Fokus auf den Schulen und den Schülerinnen. Heute liegt er mehr auf der Pastoral. Für die "Schul-Schwestern", so erzählt sie, war der Rückzug aus den Schulen schon auch ein großer Schmerz.

Ihre Tracht hat Sr. Raphaele im Jahr 2000 abgelegt – obwohl sie immer gerne in Schleier und Kleid hinterm Schlagzeug saß und die Menschen und ihre eingefahrenen Erwartungen an eine „typische Schwester“ überraschte. Aber sie hatte vor allem praktische Probleme mit dem Schleier: Schon bei ihrem Eintritt war sie stark fehlsichtig und trug deshalb eine Brille. Die in Kombination mit dem Schleier führte dazu, dass ihr irgendwann sogar die Ohren blutig wurden. Dadurch war der Abschied von der Tracht für sie eher eine Erleichterung.

Dennoch hat sie sehr intensive und schöne Erinnerungen an ihre Einkleidung, auch für sie der einschneidendste Moment ihres Schwestern-Lebens: „In einem langen weißen Brautkleid kam ich ängstlich in die Kirche, nahm die gesegnete Kleidung, zog mich um und kam als Schwester wieder zurück in die Kirche.“ Anders als Sr. Ursula hatte sie nur einen Wunsch-Schwesternnamen und den bekam sie auch: Raphaele.

Die Zusammenlegung der Provinzen sieht sie eigentlich nur positiv: Auf einmal viele neue Mitschwestern zu haben, mit ihnen in Kontakt zu kommen und voneinander zu lernen, empfindet Sr. Raphaele als große Bereicherung. 


Sr. Uta Grunert ist die Dienstälteste unter den Jubilarinnen: Sie feiert heuer ihr 70. Jahr der Ordenszugehörigkeit. 70 Jahre, in denen sie viel Änderung mitbekommen hat, aber sich vor allem immer gut aufgehoben fühlte. Schon in ihrer Schulzeit in Eichstätt bei den Englischen Fräulein „rührte sich etwas“, wie Sr. Uta beschreibt: „Bei mir hat es bei einer Schulversammlung zu Klingeln angefangen. Ich weiß noch – ich stand ganz hinten, weil alle Plätze belegt waren an diesem Besinnungstag. Da hat es eingeschlagen.“

Dieses Klingeln hörte auch nicht auf im Laufe der Zeit – und so trat sie mit 22 Jahren in den Orden ein, nachdem sie zwei Jahre im Kindergärtnerinnen-Seminar gelernt hatte und noch ein Jahr bei einer Familie im Bayerischen Wald die Kinder betreute: „Als die Provinzoberin mir geraten hat: Jetzt wird`s Zeit, dass Sie kommen – dann bin ich eben gekommen.“ Ihr Noviziat machte Sr. Uta zusammen mit elf Schwestern und den Novizinnen im zweiten Jahr in Nymphenburg im Engelhaus, das heute zur Maria-Ward-Schule in Nymphenburg gehört.

Nach dem Noviziat durfte sie erst mal nicht zu Kindern, sondern musste Büro-Dienste übernehmen. Erst als eine Mitschwester kam, die für Büroarbeiten besser geeignet war, konnte sie 1964 wieder mit Kindern arbeiten, was ihr große Freude bereitete. In Landau (Pfalz) betreute sie 37 Jahre lang im Internat die Mädchen, die dort lebten. Ab 1993 war sie im sogenannten Tagesinternat und erinnert sich gerne an die Zusammenarbeit mit den dortigen pädagogischen Fachpersonal und die Kinder, die sie dort betreute: „Wir haben in Landau eine sehr schöne, gemütliche Zeit gehabt. Wir wurden zum Beispiel immer wieder von der Familie einer Schülerin eingeladen und haben dort bis Mitternacht Gesellschaftsspiele gespielt.“ 2001 zogen dann die Schwestern aus Landau ab, nachdem sie die Schule an die dortige Diözese übergeben hatten. Und Sr. Uta kam nach Nymphenburg.

Für Sr. Uta waren sowohl die Einkleidung, als auch die Ewigprofess die einschneidendsten Erlebnisse in ihrem Ordensleben: „Die Einkleidung war ein wunderschöner Feiertag mit allen Angehörigen und der Familie.“ Ihre Entscheidung, in den Orden einzutreten, war für ihre Familie eine große Freude: „Mein Vater hat sich sehr darüber gefreut, da er selbst eine Schwester hatte, die bei den Grauen Schwestern von der heiligen Elisabeth war. Meine Mutter hatte am Anfang schon ein bisschen Schwierigkeiten mit meiner Entscheidung, hätte sich aber nie dagegen gewehrt.“ Bis heute trägt Sr. Uta Schleier und Kleid – in der Öffentlichkeit.

Mit den Besonderheiten des Ordensleben hatte sie nie Probleme, was sie auf ihre Erfahrungen als Internatsschülerin zurückführt: „Die Gemeinschaftsfähigkeit und die Fähigkeit, sich einzufügen, kannte ich ja schon aus meiner Schulzeit, deshalb war das für mich nie schwierig.“ Und auch von den festen Ordensstrukturen, wie den festen Gebetszeiten fühlte sie sich weniger eingeengt, als vielmehr in der Struktur getragen. Heute lebt Sr. Uta im Pflegeheim im Dritten Orden und ist weiterhin dank ihres Rollators mobil und kann am Gemeinschaftsleben teilnehmen.


Sr. Oswina Moser feiert heuer 60 Jahre Ordenszugehörigkeit. Sie lernte die Englischen Fräulein kennen, als sie mit 12 Jahren in deren Privatvolksschule in Heiligenstadt kam und anschließend die Realschule in Neuhaus besuchte. Diese Zeit im Kloster ist für Sr. Oswina bis heute die schönste Erfahrung ihres Lebens, obwohl die Umstände, warum sie dort unterkam, alles andere als schön waren:

Ihre Mutter war zu den Zeugen Jehovas konvertiert, weshalb Sr. Oswina als Kind bei ihrer Urgroßmutter und Großmutter aufwuchs. Als diese davon erfuhren, dass das Kind den Zeugen Jehovas übergeben werden sollte, versteckten die Angehörigen sie ein halbes Jahr im Kloster Aigen, wo sie das Klostergelände nicht verlassen durfte. Trotzdem erinnert sie sich an diese Zeit mit Freude: „Es war so schön bei den Schwestern, da hat sich immer etwas gerührt. Wir sind da auch sehr frei gewesen: Wir durften selbst bestimmen, wo wir hingehen und waren den ganzen Tag in der Natur.“  

Aufgrund der Mitgliedschaft ihrer Eltern bei den Zeugen Jehovas war niemand von ihrer unmittelbaren Familie bei der Einkleidung dabei, als sie 1964 mit 22 Jahren zusammen mit sechs weiteren Mitnovizinnen in die Ostbayerische Provinz der CJ eintrat. Ihr wurden zwei Ordensnamen vorgeschlagen, aus denen sie auswählen durfte: Oswina oder Nathalie.

Nach dem Noviziat wurde sie 1966 nach Rotthalmünster gesendet, wo sie 13 Jahre im Kindergarten arbeitete. Anschließend arbeitete sie 13 Jahre im städtischen Kinderheim in Passau. Anschließend kam sie ins Damenstift in Osterhofen, wo sie 21 Jahre überall da half, wo sie gebraucht wurde. Im Speisesaal, in der Küche oder im Refektorium. Die letzten zehn Jahre verbrachte sie in Simbach, bis die dortige Kommunität Anfang des Jahres geschlossen wurde. Seitdem gehört sie zur Nymphenburger Kommunität und lebt im Pflegeheim des Dritten Orden.

Sr. Oswina hat die vergangenen 60 Jahre im Orden als einen geordneten Ablauf der Dinge empfunden: „Ich war ja immer berufstätig und dadurch war alles geregelt und ist so schön dahin gegangen. Und ich war immer mit Kindern zusammen – da wollte ich nie woanders hin.“

Ihre Geschwister werden erst zu ihrem 60. Ordens-Jubiläum am 13. Juli zum ersten Mal dabei sein und diesen besonderen Tag mit ihr feiern. Darüber freut sich Sr. Oswina ganz besonders – auch wenn sie diesmal kein weißes Kleid tragen wird.  

 

 

 

 

Text: Christina Waechter, Bilder: privat