"Nicht uns alleine gilt Gottes Aufmerksamkeit" - Gedanken zur Schöpfungszeit

 

Die Schöpfungszeit vom 1. September bis 4. Oktober ist vielleicht die arbeitsreichste im Jahr für Sr. Nathalie Korf, CJ und Thomas Schmidt: Die beiden sind Referent:in für Nachhaltigkeit und Schöpfungsverträglichkeit im Bistum Limburg und haben für diese Wochen unzählige Veranstaltungen organisiert. Zudem fahren sie an den Sonntagen in die Gemeinden des Bistums und predigen über das Motto der Schöpfungszeit: "Lass jubeln alle Bäume des Waldes". Eine Version dieser Predigt (die sich im Laufe der Wochen immer wieder wandelt) lesen Sie hier:

Sr. Nathalie Korf, CJ: „Lass jubeln alle Bäume des Waldes!“ – Was hat Gott mit dem Wald zu tun? Ist der Wald nicht eher ein Thema für den BUND oder andere Umweltschutzorganisationen als für die Predigt? Gleich auf den ersten Seiten der Bibel können wir lesen, dass wir Menschen von Gott geschaffen sind. Aber: Wir sind keine Einzelkinder. Außer uns Menschen hat Gott noch viel mehr geschaffen: die gesamte Schöpfung verdankt sich ihm. Nicht uns alleine gilt Gottes Aufmerksamkeit, auch allen Tieren und Pflanzen – und eben auch dem Wald.

Das alles ist nicht nur als nette Kulisse für uns Menschen gedacht, oder als Selbstbedienungsladen, aus dem wir uns nach Belieben bedienen dürfen. Im zweiten Schöpfungsbericht der Bibel bekommt der Mensch den Auftrag, die Erde zu bebauen und zu bewahren. Das ist ein verantwortungsvoller Auftrag, der gegen jegliche Ausbeutung spricht. Alle Geschöpfe haben einen Wert in sich. Der Papst wird nicht müde, dies zu betonen; er schreibt zum Beispiel „dass sämtliche Geschöpfe des Universums, da sie von ein und demselben Vater erschaffen wurden, durch unsichtbare Bande verbunden sind und wir alle miteinander eine Art universale Familie bilden“ (LS 89, zitiert in LD 67) Vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll, nicht mehr von der „Umwelt“ zu sprechen, sondern von unserer „Mitwelt“.

So, wie wir alle gemeinsam von Gott geschaffen sind und von ihm her unsere Würde haben, so gilt auch die Verheißung unserer Erlösung der gesamten Schöpfung. Das alles gilt für uns, genauso aber auch für den Wald – und für alle seine Bewohner."

Thomas Schmidt: "Diesen wichtigen und tiefgreifenden theologischen Gedanken möchte ich ein paar nackte Zahlen gegenüberstellen. Denn aus dem Motto der Schöpfungszeit „Lass jubeln alle Bäume des Waldes“ ergibt sich ja die Frage: Welche Bäume, welcher Wald kann und soll denn hier in Deutschland noch jubeln? - Deutschland ist waldreich. Etwa 30% der Fläche sind bewaldet, 10 Millionen ha. - Etwa die Hälfte davon ist in Privatbesitz, aufgeteilt auf 2 Millionen Waldbesitzer. Die Kirchen sind auch dabei. Die größten katholischen Besitzer sind die Bistümer München, Augsburg und Passau mit etwa 8.000 ha, also 0,08% des Waldes.

Der Wald in Deutschland ist in einem schlechten Zustand. Im Waldzustandsbericht 2023 stand: Von den verbreitetsten Arten Fichte, Kiefer, Buche und Eiche sind vier von fünf Bäumen krank. Die andauernde Trockenheit und die hohen Temperaturen seit 2018 wirken nach. 2024 hieß es: Keine Entwarnung trotz feuchtem Winter. Positiv ist: Der Bodenwasserspeicher in Deutschland ist wieder vollständig aufgefüllt. Welche Bäume also sollen jubeln und welchen Grund haben sie dazu?"

NK: "Na super, noch eine Baustelle! Wir müssen uns doch aktuell schon um so viel kümmern: die Demokratie stärken und uns gegen Rechts engagieren, die ganzen Kriege mit all ihren Folgen, innerkirchlich haben wir auch ein paar Baustellen – und jetzt sollen wir uns also auch noch um den Wald kümmern! Gott hat uns Verantwortung für unsere Mitwelt übertragen, aber er hat uns auch mit den Gaben ausgestattet, die wir brauchen, um dieser Verantwortung gerecht zu werden.

Am besten können wir sie einsetzen, wenn wir uns zusammentun und jede und jeder seine Fähigkeiten einbringt. Es gibt so viele Menschen, denen eine lebenswerte Zukunft für die gesamte Schöpfung ein Anliegen ist. Nicht nur gemeinsames Handeln ist gut; es ist auch wichtig, dass wir an den richtigen Hebeln ansetzen.

Ich mag das Konzept des ökologischen Handabdrucks. Dabei geht es darum, Strukturen, Regeln, Rahmenbedingungen und Gesetze so zu verändern, dass nachhaltiges Verhalten leichter, naheliegender, preiswerter oder zum Standard wird. Das verbessert dann nicht nur die persönliche Umweltbilanz, wie beim CO2-Fußabdruck, sondern ermutigt viele andere Menschen zu nachhaltigem Handeln. Menschen tun das, was einfacher und naheliegender ist: machen wir es ihnen leicht, nachhaltig zu handeln!

Wussten Sie, dass der Begriff „Nachhaltigkeit“ ursprünglich aus der Forstwirtschaft kommt? Am Ende des 17. Jahrhunderts ging es dem deutschen Wald noch schlechter als heute. Es gab ihn kaum noch; er war im wahrsten Wortsinn verheizt. Der sächsische Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz formulierte dann 1713 erstmals, dass immer nur so viel Holz geschlagen werden darf, wie durch planmäßige Aufforstung wieder nachwachsen kann.

Damit legte er den Grundstein für die deutsche Forstwirtschaft und das Prinzip des nachhaltigen Umgangs mit Rohstoffen. Und es funktionierte – der Wald erholte sich schnell. 100 Jahre später ist die Epoche der Romantik nicht ohne das Motiv des Waldes zu denken. Nicht nur einzelne Bäume pflanzen – das System ändern. Das Beispiel zeigt, dass es möglich ist, etwas zu verändern. Das macht mir Hoffnung."

TS: "Mir auch! Wir können also etwas tun. Und wenn wir das tun, werden wir die Erfahrung machen von Selbstwirksamkeit. Das wiederum bringt Hoffnung hervor. „Active hope“ nennen das die Aktivist:innen. Und Gott? Was macht er? Die ewig alte Frage nach dem Zusammenspiel von Gott und Mensch.

Zunächst einmal: Gott ist da. Er geht mit, er trägt uns. Er leidet mit an den Wunden, die seiner Schöpfung zugefügt werden. Er freut sich mit an jedem Leben, das neu entsteht. Das ist nicht wenig. Gott freut sich, wenn wir uns einsetzen für seine Schöpfung. Unser Leben, unser Engagement ist ihm nicht egal. Er hat uns ja diesen Auftrag gegeben, die Erde zu bebauen und zu bewahren.

Und, das glaube ich: in Christus, dem Haupt der neuen Schöpfung eröffnet sich ein größerer Raum, eine Sicherheit, dass es auch hinter unseren begrenzten Möglichkeiten, ja sogar hinter unserem Horizont immer noch weiter geht. Wir sind wichtig dafür, dass die Bäume etwas zu jubeln haben. Aber es hängt nicht alleine von uns ab. Und wenn wir so in der Kraft Gottes handeln, dann wird uns der Jubel der Bäume sicher sein – Gott und uns. Amen."

Predigt: Sr. Nathalie Korf CJ und Thomas Schmidt