Tertiat im Libanon: Wenn alles anders kommt...
Von Flüchtlingen, Schulen und Dinge die anders kommen, als geplant
Tertiatsjahr, Zeit der Vorbereitung auf die Ewigprofess – dazu gehört auch die Erfahrung von Weltkirche, konkret ein mehrmonatiger Auslandaufenthalt.
Vor meinem biographischen Hintergrund und aufgrund meines Interesses lebe ich nun schon seit drei Wochen im Libanon. Da es hier keine CJ-Kommunität gibt, bin ich an eine Kommunität der Jesuiten angeschlossen. Konkret wohne ich in Taanayel auf der Bekaa-Ebene, in einem eher ländlich geprägten Gebiet.
Die Kommunität besteht aus sechs Jesuiten, die überwiegend aus arabischen Ländern kommen und verschiedene Aufgaben von der Liturgie über die Pastoral und Exerzitienarbeit bis hin zu Tätigkeiten in den Jesuitenschulen und der Hochschule der Jesuiten im Libanon reichen. Das Haus ist von einem großen Gelände umgeben, inklusive einer Landwirtschaft, aber auch einem Park, der zum Spazierengehen einlädt.
Eingesetzt bin ich für den Jesuitenflüchtlingsdienst (JRS), der sich im Libanon – zusammen mit vielen weiteren Hilfsorganisationen – vor allem den vielen Flüchtlingen aus Syrien widmet. Im Nachbarort Bar Elias unterhält der JRS drei Schulen für syrische Kinder im Grundschulalter, konkret bis Klasse 6. Hinzu kommt ein Social Center, dessen Fokus auf der Bildung von Frauen liegt. Die Frauen haben dort die Möglichkeit, Kurse zur Alphabetisierung, zum Erlernen von praktischen Tätigkeiten als Schneiderin oder Friseurin bis hin zu Englischkenntnissen zu besuchen. Zugleich organisiert das Social Center Hausbesuche bei syrischen Flüchtlingen, die der psycho-sozialen Unterstützung dienen.
In meinen ersten Tagen konnte ich den Alltag in einer der Schulen kennenlernen, die im Zweischichtbetrieb – vormittags und nachmittags – arbeitet. Um den besonderen Bedürfnissen der Kinder in ihrer aktuellen Lebenssituation, aber auch ihren bisherigen Erfahrungen zu begegnen sowie zugleich die Lehrer*innen zu unterstützen, gibt es in jeder Schule eine*n Sozialarbeiter*in.
Durch die landesweiten Proteste im Libanon, die am 17. Oktober 2019 begonnen haben, müssen die Schulen und die weiteren Projekte von JRS im Libanon jedoch aktuell und bis auf weiteres geschlossen bleiben. Ein Fokus der Protestierenden liegt auf Straßenblockaden, so steht das öffentliche Leben derzeit quasi still. Manchmal kommt es anders als geplant…
Meine aktuelle Herausforderung besteht darin, mit dieser völlig unerwarteten Situation umzugehen, offen zu bleiben für den Anruf Gottes heute. Darin fühle ich mich auch durch den hiesigen Provinzial der Jesuiten ermutigt, der die Jesuiten und alle Partner in der Mission zu einem Prozess der Unterscheidung und zur Verfügbarkeit auffordert: Was möchte Gott uns durch diese Proteste sagen und wozu ruft ER uns genau darin? (Hier findet sich der Brief von P. Dany Younes SJ, allerdings nur auf Französisch.)
Zugleich hoffe ich natürlich, dass ich bald meinen eigentlichen Dienst für die syrischen Flüchtlinge aufnehmen kann. Trotz der Unruhen geht es mir aber gut, ich bin in Sicherheit und entdecke jeden Tag Neues.
An dieser Stelle werden weitere Berichte über meine Erfahrungen folgen.
Text und Fotos: Sr. Anna Schenck CJ