Mary Wards Schuhe - Impuls zur Ausstellung in Bamberg
Ich könnte all meine Schritte zählen lassen, wenn ich das wollte. Vermutlich könnte ich auch all meine Bewegungen räumlich aufzeichnen lassen. Das ergäbe ein ziemlich langweiliges Hin und Her im haus und in der Umgebung, mit gelegentlichen Ausschlägen zu näheren und manchmal auch ferneren Zielen.
Was ist der nächste Schritt?, überlege ich nicht so sehr in den alltäglichen Abläufen, sondern wenn ein Vorhaben oder eine Tätigkeit einen etwas längeren Atem braucht, einen größeren Bogen hat. Wohin geht der nächste Schritt, frage ich dann, wenn Entscheidungen anstehen und nicht länger aufzuschieben sind.
Mary Wards Schritte hat niemand gezählt. Sie war darauf konzentriert, den Weg Jesu zu gehen. Nicht nur irgendwie allgemein als gläubige Christin, sondern mit jedem ihrer Schritte: "Ich war glücklich, als ich erkannte, dass die Weise, wie Christus mit allen geschaffenen Dingen umging, die vollkommenste war. Ich liebte sie und hatte den Wunsch, denselben Weg zu gehen, hauptsächlich deshalb, weil er ihn ging." (Exerzitien 1618) Und wie Jesus fragte sie danach, was Gott von ihr getan haben wollte, täglich, stündlich. So wurde ihr Leben zu einer Nachfolge Jesu eben auf ihre spezielle, unaustauschbare Weise.
Wenn man ihre Schuhe betrachtet, ob im Original im haus der Congregatio Jesu in Altötting oder in dieser wunderbaren Skulptur aus Belgischem Blaustein, der in der Gegegnd um Lüttich zu finden ist, denkt man zuerst an ihren ersten Weg von Lüttich nach Rom: Vom 18. Oktober bis 24. Dezember 1621 war sie mit ihrer kleinen Reisegruppe dorthin zu Fuß unterwegs, mit einem Pferd für das Gepäck und einem, das die jeweils erschöpfteste Person trug, und mit nur drei Ruhetagen in Nacy, Mailand und Loreto.
Für die mühsame zweite Rückreise von Rom nach München mit der niederschmetternden Erkenntnis, dass man nicht nur, wie beim ersten Mal, in Rom nichts erreicht hatte, sondern dass bereits das kirchliche Verbot der Gemeinschaft in der Luft lag - werden die Schuhe explizit erwähnt. Wegen der Pestgefahr mussten sie den weiten Weg über Venedig nehmen. Wieder waren sie zum größten Teil zu Fuß unterwegs, "mit nur einem Pferd, um im Wechsel die Erschöpfteste zu tragen, und mit nur einem zum Unterwegssein geeigneten Paar Schuhe, das mehreren Personen mit der unterschiedlichen Füßen dienen musste." (Englische Vita)
Später war sie so krank, dass sie nur noch kürzere Strecken zu Fuß gehen konnte. Dennoch blieb ihr Leben ein Unterwegssein. Um dem in Belgien und England ausgestreuten Gerücht ntgegegnzuwirlen, sie sei für immer eine Gefangene der Inquisition, unternahm sie die letzte, zwei Jahre dauernde Reise von Rom über Paris nach Lüttich und London und fand auch in ihrer Heimat keine Ruhe. In den Gefahren des Bürgerkriegs mussten sie weiter nach Norden und noch kurz vor ihrem Tod vor den anrückenden Puritanern fliehen.
Dass ein Paar Schuhe all diese Schritte ausgehalten hätte, ist eher unwahrscheinlich. Ob das erhaltene Paar 1631 in München zurückblieb oder ob es sich um ihr letztes Paar Schuhe handelt, das ihre Freundinnen später aus Pietät aufbewahrten und aufs Festland mitbrachten, wissen wir nicht.
Ich habe eine stattliche Anzahl von Schuhen im Regal, weshalb sie sich als Symbol für meine Schritte nur bedingt eignen. Dennoch könnten sie mich zur Frage anregen: Was ist der nächste Schritt? Wohin gehen ab jetzt meine Schritte? Welche Wege wähle ich? Haben sie etwas mit Jesus zu tun, von dem es heißt, er sei Leben, Wahrheit und Weg?
Sr. Ursula Dirmeier CJ
Entstanden für die Ausstellung "Frauen.Taten.Werke" im Diözesanmuseum Bamberg, in Zusammenarbeit mit der Frauenpastoral im Erzbistum Bamberg