Hilfe im Ahrtal geht weiter: Sr. Simone berichtet
Jetzt bin ich schon fast 2 Jahre im Ahrtal. Am 1. Mai 2022 bin ich hier angereist. Und ich bin längst angekommen. Die Menschen hier machen es mir leicht. Sie freuen sich, wenn Menschen bewusst hierher ziehen – in dieses Tal, das so schwer verletzt wurde in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021. Die große Flut. Nicht erwartet. Und auf keinen Fall vorstellbar, welche verheerenden Schäden an Landschaft, Gebäuden und v.a. Menschenseelen sie angerichtet hat.
Es hat sich viel verändert in den vergangenen 2,5 Jahren. Aber eben nicht genug. Viele Menschen leben immer noch provisorisch. In der Nähe in Ferienwohnungen oder Tinyhäusern. Bei Verwandten oder Freunden. Auch weiter entfernt. Es braucht noch viel Unterstützung von Helfenden, auch Organisationen.
Nachdem ich einen so guten Start in der AHRche hatte, einem Verein, der Wiederaufbauhilfe leistet und auch u.a. Essen gekocht und ausgegeben hat, konnte ich gut Kontakte knüpfen. Die AHRche hat die Essensausgabe im Dezember 2022 beendet, weil der Bedarf nicht mehr so groß war und die Unkosten nicht mehr in Relation zum Bedarf standen. Eine gute Entscheidung. Ein liebgewordener Ort war für mich dann weg … so schnell fühlte ich mich daheim.
Dann sah ich einen Aushang bei :kerit (biblischer Ort, an dem der Prophet Elija gerastet hat und von Raben versorgt wurde), einem Café neben einem Second-Hand-Laden, organisiert von der evangelischen Kirchengemeinde Bad Neuenahr. Sie suchten Ehrenamtliche für das Café. Ich stellte mich vor – und durfte bleiben. Das Café Rastplatz ist ein Wohlfühlort. Jede und jeder ist willkommen. Zum Plaudern, zum Ärger abladen, um Hilfe nachzufragen, um nicht alleine zu sein. Denn nicht alle Menschen, die von der Flut betroffen waren, haben das Schreckliche schon verarbeitet. Und wer vorher schon nicht auf der "Sonnenseite" des Lebens gelebt hat, der oder die hat es doppelt schwer. So bin ich – mit vielen anderen Ehrenamtlichen, die den Second-Hand-Laden und das Café betreuen, zum offenen Ohr geworden. Eine wunderschöne Aufgabe, werde ich dadurch doch mit viel Vertrauen beschenkt.
Offene Ohren wurden auch in der Waschbar gesucht. Ein Projekt von Caritas, Maltesern und der katholischen Pfarrei (ich liebe vernetzte Projekte) hat einen personellen Engpass.
Ja, es gibt auch nach über zwei Jahren immer noch Menschen im näheren und weiteren Umfeld, die noch keine Waschmaschine haben – entweder, weil die Keller nicht fertig saniert oder Leitungen noch nicht gelegt sind oder auch, weil einfach das Geld für eine Waschmaschine und/oder einen Trockner fehlt.
Neben dem Container mit vier Waschmaschinen und vier Trocknern steht ein Container, der, so mehrmals von Gästen gehört, das zweite Wohnzimmer ist. Dort können die Menschen, die eine Maschine laufen haben, warten, einen Kaffee oder Tee trinken, was Süßes ist auch immer da. Und viele kommen auch ohne zu waschen. Grüppchen treffen sich und die Mitarbeitenden, zu denen ich jetzt auch gehöre, werden gezielt in Gespräche verwickelt. Und es gibt unzählige Themen, zum Glück nicht nur die Flut. Es gibt so viele schöne, spannende, lustige Geschichten, dass daraus jetzt ein Hörprojekt entsteht: Geschichten der Besucher:innen werden aufgenommen, sie werden fotografiert von einem professionellen Fotografen und es wird eine Wanderausstellung daraus konzipiert.
Mittwochs kommt ein über 80-jähriger Musiker, da wird zu Gitarre oder Keybord gesungen. Sabine spielt mit Spielfreudigen. Und es gibt immer jemand von den Haupt- und Ehrenamtlichen, die Bastelangebote machen, um das Café zu verschönern.
Neben festen Dienstzeiten an diesen Orten unterstütze ich durch Gespräche weitere Menschen, entweder zu Hause oder per Telefon. Irgendwie werde ich gefunden und gebraucht. Gibt es eine schönere Aufgabe?
Text und Fotos: Simone Remmert CJ
Wer einen kurzen Einblick in die Waschbar haben will, findet ihn hier auf YouTube: