Sonntagsimpuls: Gottes Heil für alle Menschen
„Alle Menschen werden das Heil Gottes schauen.“ Was für ein starker Satz, eine schier unglaubliche Aussage!
Kann das wahr sein? Kann ich das glauben? So steht es da. Es ist nicht die Rede von "viele", nicht "die meisten", nicht "alle Christinnen und Christen", nein: "alle Menschen". Auch sonst keine Relativierung im Sinne von: können, sollen, müssten … Dieses Wort des Johannes, das als Wort Gottes eingeführt wird, gilt auch heute.
Ich denke an die Flüchtlinge, die an den Zäunen der reichen Welt ausharren und großes Leid erleben. Mir kommen die Menschen in den Kriegs- und Krisengebieten der Welt in den Sinn, Menschen die dort leben, wo seit Jahren oder Jahrzehnten andere Mächte ihre Kämpfe auf dem
Rücken der Bevölkerung austragen: Syrien, Jemen, Afghanistan – gar nicht so weit weg von der Wüste, in der Johannes der Täufer auftrat. Die Liste der Länder und Regionen, der
menschengemachten Dramen und Naturkatastrophen ließe sich beinahe endlos verlängern.
Wie kann ich da das Wort Gottes annehmen: "Alle Menschen werden das Heil Gottes schauen"?
Hinzu kommen die Notleidenden bei uns, Menschen, die schwer erkrankt sind, die trauern und stark unter den aktuellen Krisen leiden. Meine Gedanken gehen zu denjenigen, die große Sorgen haben oder sich ausgeschlossen fühlen, die keine Hoffnung mehr haben, für die ich selbst keine Hoffnung mehr habe. Die Verheißung Gottes umfasst sie alle. Keiner und keine von ihnen kann aus dieser Zusage herausfallen.
Was mag das für mich heißen? Wozu will mich Johannes mit seinen großen Worten in dieser Zeit
der Vorbereitung aufwecken?
Wenn das Heil Gottes allen Menschen geschenkt wird, dann auch denen, mit denen ich mich gerade schwertue und zu denen ich keinen Zugang finde. Ich könnte einen Schritt auf denjenigen zu machen, der die Corona-Impfung so ganz anders sieht als ich, und ihn nach seinen
Hoffnungen und Träumen fragen. Gibt es jemand in meiner Umgebung, der schwerkrank, verzweifelt, ohne Perspektive ist, daher kaum glauben kann, dass auch er das Heil Gottes schauen wird? Gibt es Menschen, die ich aufgegeben habe, die Gott aber sicherlich nicht aufgibt? Selbstverständlich kann ich auch durch eine Spende Menschen spüren lassen, dass Gott sie nicht vergisst.
Es lohnt sich auch der Blick auf mich selbst: Bin ich dafür bereit, mich für das Heil Gottes zu öffnen? Was muss ich vorher wegräumen? Es mögen kleine Zeichen sein, die ich setzen kann, aber es sind Vorboten und Ausdruck der Hoffnung.
So können wir dem Herrn den Weg bereiten. Weniger in der Begradigung von Straßen oder im Ebnen von Wegen, sondern indem wir dieses Licht der Verheißung in der Finsternis anzünden. Denn Gottes Versprechen schließt alle Menschen ein, wirklich alle.
Text: Sr. Anna Schenck CJ
Wir danken der Katholischen SonntagsZeitung, in der dieser Text zuerst erschienen ist, für die Genehmigung zur Veröffentlichung.