Esel revisited – Gedanken rund um das Thema Freiheit
Ich muss noch einmal auf den Esel zurückkommen. Auf eine bestimmte Qualität des Esels im Dienst des Herrn: das Maß seiner Freiheit.
Wie drückt Bescheidenheit sich wirklich aus, so, dass sie nicht einen Menschen klein hält? Gehört der Esel zu jener Tradition, die auch in zerstörerische Abhängigkeiten geführt hat? Sind hohe Rösser doch bessere Reittiere, weil sie einen Menschen nicht "klein und unselbständig" halten?
Seit etwa zwanzig Jahren sind schicke Autos nicht mehr nur schön und schnell, sondern auch so breit, dass daneben auf der Straße wenig Platz bleibt für die Mitmenschen. Innen ist hingegen reichlich Platz. Ich frage mich, ob den Nutzern bewusst ist, wie sich diese Autos von außen anfühlen? Auch wenn ich nicht fürchte, gesellschaftlich insgesamt unter die Räder zu kommen, tut es jedes Mal weh. "Platz in der Gesellschaft". Oder sind SUVs zu verstehen als eine Art stumme Revolte in Not, wo Menschen nicht anders ihren Platz bekommen?
Der Esel jedenfalls lässt Platz. Er fügt sich sogar entgegenkommenden Engeln, der Stimme Gottes in den Geschöpfen (Num 22,23-33). Das ist seine Bescheidenheit, sie leistet dem Verkehrten Widerstand. Die Konstitutionen des Ignatius, auf die auch wir uns bei der Profess verpflichten, erlauben überhaupt kein privates Reittier. Tatsächlich leiten sich bis heute davon unsere Prinzipien zum Umgang mit KFZ ab, wie die Ergänzenden Normen zeigen.
Die Eignung des Esels als Reittier für Jesus liegt an seiner unbändigen Freiheit. Jesus sagt: "Bindet sie los und bringt sie zu mir!" (Mt 21,2). Der Esel ist losgebunden. Von was? Wir haben in der Fastenzeit vielleicht geahnt, von was es gut wäre, losgebunden zu sein, durch helfende Hände, für Jesus.
Und heute erinnert uns der Palm-Esel nochmals: Es gibt nicht nur versklavte Lastenträger. Die Heilige Schrift interessiert sich für Freiheit und Losbinden. Es gibt Wildesel (Hi 39,5; Sir 13,19; Ps 104,11 u.a.) und Träger des Herrn, freie Arbeitstiere. Heute.
Sr. Britta Müller-Schauenburg CJ
Diese Kolumne erscheint auch auf www.orden.de