Das EMMAUS Projekt hat einen Ukraine-Teil
Schon seit einem guten Jahr ist das EMMAUS Geschichtswohnprojekt trotz Corona-Bedingungen belegt. Aus Deutschland, Österreich, Tschechien, USA, Japan und Indien sind die Gast- und Nachwuchswissenschaftlerinnen im Haus und bilden als Fellows eine Lebens- und Studiengemeinschaft und teilen eine Küche, ein Bad und Gedanken. Einmal wöchentlich werden an einem Abend einschlägige Projekte und Texte diskutiert. Anfang März 2022 konnte gemeinsam mit dem Archiv der erste Workshop zur Geschichte der Congregatio Jesu durchgeführt werden.
Als der Krieg in der Ukraine begann, fragten akademische Institutionen aus München an bezüglich einer Kooperation zur Hilfe für aus der Ukraine fliehende Wissenschaftlerinnen. Und da der Wohnbereich des bisherigen EMMAUS Projekts belegt war, wurde ein komplettes Stockwerk in einem Schwesternhaus für zusätzliche Gäste eingerichtet und geöffnet.
Damit erhöhte sich die Zahl der anwesenden Fellows jetzt auf 15 Personen: Je nach Fluchtmöglichkeiten kamen, nach und nach, zehn neue Gäste zur Congregatio Jesu München-Nymphenburg. Auch sie teilen sich eine Küche und ein Bad. Sie nutzen die Waschmaschine gemeinsam mit den bisherigen EMMAUS Fellows, deren Nutzerkreis damit um 200 Prozent gewachsen ist. Sie leben so beieinander, wie die Schwestern immer gelebt haben – in denselben Räumen. Der neue Ukraine-Teil des EMMAUS Projekts hat uns Schwestern und die Fellows räumlich noch näher zusammengerückt.
Die Zimmer sind für's Arbeiten ideal gebaut und auch die Art der Tätigkeit ist ähnlich: Erstens ist es viel Arbeit und zweitens findet sie zu einem großen Teil am Schreibtisch statt. EMMAUS Fellows halten online Vorlesungen oder studieren online oder besuchen in München Bibliotheken und Seminare und Archive. Und sie haben als Teil der Hausgemeinschaft auch ihren Platz in der Kirche. Wer zum Gebet kommen will, ist da.
Im Fürbittgebet eingeschlossen sind sie alle und dazu die vielen, die woanders in Gefahr sind: auf der Flucht, im Kriegsgeschehen. Seit Kriegsbeginn beten wir täglich einen Rosenkranz als Friedensrosenkranz. Das ist unsere Weise der Gemeinschaft im Sinne des ora et labora, in Gebet und Arbeit. Wir teilen auch die Angst um die in der Ukraine Gebliebenen.
Für das EMMAUS Geschichtswohnprojekts gibt der Ukraine-Teil einen entscheidenden inhaltlichen Impuls. Alle ukrainischen Fellows sind hochaktuell befasst mit der Frage nach einem "Erzählen der eigenen Geschichte" und nach Fremdbestimmung, Überwältigung und Zusammenbrechen von Identität. Sie sind Expertinnen – teilweise thematisieren es ihre aktuellen Forschungsprojekte, teilweise mischt es sich schlicht mit dem unbeschreiblichen Lebensbruch ins Nachdenken.
Plötzlich bewährt oder falsifiziert sich alle Theorie der Historiographie und der Narration im EMMAUS Projekt gemeinsam praktisch. Fast, als wäre das ganze Projekt extra dafür begonnen worden. Man soll zwar Dinge niemals und unter keinen Umständen "theologisch vereinnahmen" und unpassend spiritualisieren – aber ich glaube tatsächlich, so war es auch beim biblischen Gang nach EMMAUS: In der echten Verzweiflung, als alles aus war, war es an der "Schrift", der Anker zu sein, von dem her, von dessen Halt her, zu verstehen war, was jetzt gerade geschah.
Denken ist nicht das Gegenteil von Wirklichkeit, sondern es bezieht sich auf sie, oder es ist nicht wahr. Das war schon beim Gang nach EMMAUS am Ostermorgen so, und es ist jetzt noch genauso, allen Theorieskeptikern zum Trotz. Und das macht einen Teil der Menschenwürde aus.
Das wird bei jedem Fellow-Treffen spürbar. Es ist für unser Arbeiten mit unserer Geschichte, im Archiv und in Bildungseinrichtungen, wichtig. Es ist ein kostbarer Impuls. Und es ist menschlich eine gute Erfahrung.
Sr. Britta Müller-Schauenburg CJ
Hinweis für Interessierte:
Präsentationen der Stipendienprojekte der neuen Fellows werden öffentlich per ZOOM übertragen. Eine Liste mit Terminen finden Sie unter https://www.geschichts-und-kunstwissenschaften.uni-muenchen.de/meldungen/ua_semprogram/index.html Willkommen!
Weitere Informationen zur Anmeldung und zum Programm an der LMU gibt es hier.