Sr. Judit Knáb CJ aus Budapest berichtet von ihrer Arbeit bei Solwodi Hungary
Im September 2014 wurde in Ungarn eine kleine Reflexions- und Gebetsgruppe namens „Sara“ gegründet, die sich mit dem Thema Menschenhandel und Zwangsprostitution auseinandersetzte – ich war von Anfang an Mitglied dieser Fünfergruppe. Da es in der ungarischen Kirche bis heute ein Engagement in diesem Bereich gibt, suchten wir nach unseren konkreten Möglichkeiten, in diesem Feld aktiv zu werden. Von Anfang an waren wir an die internationalen Netzwerke SOLWODI und RENATE (REligious Networking Against Trafficing in Europe) angebunden; letzteres wird von Sr. Imelda Poole IBVM geleitet.
In der Zwischenzeit haben wir ein dichtes Netzwerk von Kontakten aufgebaut, in dem Schwestern der CJ, des IBVM und anderer Frauenordensgemeinschaften aktiv sind.
Am Tag der Heiligen Josephine Bakhita (der 8. Februar) 2017 wurde aus der Gruppe „Sara“ der Verein SOLWODI Hungary gegründet. Wir sind zehn Mitglieder - neun Schwestern aus unterschiedlichen Ordensgemeinschaften und eine weltliche Frau. Allerdings stehen nur drei dieser Mitglieder in der aktiven SOLWODI-Arbeit.
Bislang sind wir auf vier Hauptebenen aktiv:
- Wir sind Glied eines großen Netzwerkes in Ungarn und international – d.h. wir arbeiten mit verschiedenen staatlichen Behörden, mit mehreren NGOs und der Polizei zusammen.
- Wir gestalten Sensibilisierungsprogramme, in erster Linie innerhalb der katholischen Kirche in Ungarn, um diese Thematik in das Bewusstsein der Menschen zu bringen.
- Wir kümmern uns um Präventionsarbeit in Schulen, besonders in kirchlichen Einrichtungen, in Pfarreien und Jugendgruppen.
- Wir werden aktiv, wenn wir bei konkreten Fällen angefragt werden. Dies geschieht meist durch Organisationen aus Westeuropa, wo ungarische Frauen in die Falle des Menschenhandels geraten sind und Hilfe brauchen. Die Hilfe kann z.B. darin bestehen, Kontakte zu Familie und Polizei herzustellen, zu dolmetschen, Dokumente zu besorgen und zu übersetzen …
Leider sind unsere Möglichkeiten bisher sehr beschränkt. Bisher arbeiten wir in einem provisorischen Büro im Haus der CJ in Budapest – hier möchten wir langfristig entsprechende Räumlichkeiten einrichten.
Wir haben keine Einnahmen, sondern sind auf Zuschüsse und Spenden angewiesen – momentan werden wir von RENOVABIS unterstützt, aber das ist keine Dauerlösung. Die so kleine Zahl der aktiven Mitglieder erlaubt es auch nicht, in Ungarn Schutzwohnungen zu errichten. Aber wir sind in engem Kontakt mit Nichtregierungsorganisationen (kurz: NGOs), die solche Häuser haben, so dass wir die Betroffenen an geeignete Stellen verweisen können.
Vor Weihnachten 2019 habe ich zum ersten Mal an einer Aktion für Prostituierte teilgenommen, die wöchentlich von zwei NGOs organisiert wird. Dieses Programm trägt den Namen „Straßenmission“. Mit einem für diesen Zweck ausgebauten Bus fahren sie in prostitutionsintensive Straßen und parken dort für längere Zeit. Die Prostituierten, sowohl Frauen als auch Männer, sind herzlich eingeladen, im Bus etwas zu trinken, ein wenig zu verweilen und je nach Bedarf Gespräche zu führen. Dieses Angebot wird immer sehr dankbar angenommen.
Einmal im Jahr, vor Weihnachten, wird der Bus – bus 4 live - weihnachtlich geschmückt, ein warmes Essen wird angeboten und ein Nikolaus, der sehr gut Gitarre spielt und singt, trägt Weihnachtslieder vor. Jeder Gast, der in den Bus kommt, erhält ein kleines Geschenkpäckchen.
Ich war von dieser Erfahrung sehr beeindruckt. Es hat mich beeindruckt, mit wieviel Liebe sich die Freiwilligen der NGOs um die Prostituierten kümmern und wie sehr sie versuchen, sie in ihrer Menschenwürde anzuerkennen und zu stärken. Es hat mich sehr berührt, wie dankbar die Prostituierten waren, wie sie oft voller Sehnsucht und Erinnerungen an ihre Kindheit die altbekannten Weihnachtslieder mitgesungen haben und wie manche von ihrem Leben, ihren Schwierigkeiten und Gründe für die Prostitution erzählt haben.
Meist war die Entscheidung für diesen Weg begründet im Einsatz für ihre Familie – Eltern, Geschwister, eigene Kinder, die finanzielle Hilfe brauchen. Viele von ihnen schienen mir gläubig zu sein, und auffallend war auch, wie viele gebildete Menschen darunter waren. Ein großer Teil von ihnen war aus der Volksgruppe der Roma.
Erschüttert war ich von der Tatsache, dass auch Minderjährige – Frauen und Männer – gekommen sind, und dass sogar hochschwangere Frauen dabei waren.
Man spürte, dass alle gerne im Bus saßen und das Gespräch genossen, aber sobald das Handy klingelte und der Zuhälter anrief, verließen sie fluchtartig den Bus.
Nachdenklich gemacht hat mich, dass manche von ihnen keine Ahnung hatten, was Weihnachten ist, was wir feiern, wer Jesus ist – aber das waren nur wenige.
Ich hoffe, dass ich noch viele solcher Aktionen mitmachen kann und dass SOLWODI Hungary stärker wird, damit wir besser dazu beitragen können, noch mehr Menschen aus und vor dieser Kriminalität zu retten.