Im Geiste Mary Wards: Einsatz in Ägypten

Mary Ward würde in Ägypten ein neues Aufgabenfeld sehen

Von Sr. Theodora Hawksley CJ

Frauen bei einem Alphabetisierungskurs in Ezbet Al Nakhl, Alexandria
 

Als Mary Ward begann, einen Frauenorden nach dem Vorbild der Jesuiten aufzubauen und Mädchenschulen einzurichten, ebenfalls nach dem Modell der Jesuitenschulen für Jungen, wusste sie, wer sie war und was sie tat. Sie war im katholischen Untergrund aufgewachsen, wechselte häufig die Wohnung und kam dabei immer bei englischen Rekusanten unter, aufgezogen und erzogen wurde sie über lange Zeit von Verwandten ihrer Familie. In diesen Rekusanten-Gemeinschaften des frühen 17. Jahrhunderts, spielten Frauen eine ausgeprägte Rolle. Männer, als Oberhaupt der Familie, wurden oft verfolgt und mit Bußgeldern belegt; Frauen hingegen konnten meist in Ruhe einen katholischen Haushalt führen und eine neue Generation Katholiken heranziehen, ohne in den Fokus der Verfolger zu geraten. Priester wurden landauf und landab gejagt, aber Frauen waren nahezu unsichtbar und dadurch besonders mobil, was sie zum großen Vorteil der katholischen Gemeinschaft einsetzen konnten.

Als Mary Ward also Gemeinschaften und Schulen gründete, ging es nicht nur darum, Frauen und Mädchen die gleichen Chancen zu ermöglichen wie Männern und Jungen. Ihre Erfahrungen hatten ihr eine Vorstellung davon verschafft, was gewissenhafte, gebildete Frauen, die frei für den Einsatz für Gott waren, für die Kirche und die Welt bewirken könnten.

Schnitt und Blende auf eine andere weibliche Führungsfigur: Theresa May. Als Sie Ende Februar zum Gipfeltreffen zwischen der EU und den arabischen Staaten nach Sharm El Sheikh kam, galten alle Blicke ihrem Treffen mit Angela Merkel. Die arabische Welt, mit all ihren Krisen und ihrer Komplexität, war dabei lediglich die Bühne für eine der letzten Episoden unseres hausgemachten britischen Dramas. Aber Ägypten, acht Jahre nach dem arabischen Frühling, verdient es, dass wir genauer hinsehen. Es ist ein junges Land, 60 Prozent seiner Einwohner sind unter 30 Jahre alt, die Jugendarbeitslosigkeit ist hoch. Sein Bruttoinlandsprodukt ist zwar in den vergangenen Jahren gestiegen, doch hinter diesen Zahlen verbirgt sich eine drastische Ungleichheit zwischen einer winzigen Minderheit mit enormen Vermögen und einem großen Bevölkerungsanteil – sowohl in den Städten als auch auf dem Land – die in großer Armut leben. Christen machen etwa zehn Prozent der Bevölkerung aus und sind heute besser geschützt als noch vor einigen Jahren, doch noch immer gibt es in regelmäßigen Abständen brutale und oft tödliche Anschläge gegen sie. Sowohl politische als auch wirtschaftliche Veränderungen sind in der Folge des arabischen Frühlings noch immer in Gang. Einige geben Grund zur Sorge, andere bieten auch Anlass zur Hoffnung.

Wo aber sind die Frauen und Mädchen in all dem? Ich habe kürzlich eine Woche mit der Organisation „Embrace the Middle East” in Ägypten verbracht und verschiedene Projekte besucht und dort so leidenschaftlich und deutlich wie selten zuvor die Bedeutung und Dringlichkeit von Mary Wards Zukunftsvision gespürt. In einem kleinen Büro in El Ras El Soda, Alexandria, trafen wir ein zehnjähriges Mädchen. Sie sagte uns:
“Jungs werden immer als etwas Besseres gesehen. Manchmal fühle ich mich nur wie ein halber Mensch.” Sie nimmt an dem Programm „My Dear Daughter“ (deutsch: Meine liebe Tochter) teil. Es arbeitet in Slums und bringt jüngere Mädchen mit älteren Mentorinnen zusammen, die gerade die Schule abschließen oder ein Studium beginnen, um sie zu unterstützen und zu ermutigen. Wie in Mary Wards Zeit streben Frauen und Mädchen in Ägypten für gleiche Rechte und gleiche Möglichkeiten wie sie Männer und Jungen sie haben, Doch gleichzeitig streben sie nach mehr: einem Verständnis für ihren Selbstwert und für ihre Fähigkeit, einen echten Unterschied für ihre Gemeinschaften auszumachen. Und auch hier haben Frauen ihre eigenen, klugen Wege, die Begrenzungen ihrer sozialen Welt zu verschieben und ihre Familien zu unterstützen, wie zum Beispiel durch Mikrokredite, mit denen sie ein eigenes kleines Geschäft aufbauen können. Dadurch profitieren sie selbst und ihre Familien, sowohl finanziell als auch in Bezug auf ihr Selbstbewusstsein.

„Ich hoffe zu Gott, man wird sehen, dass Frauen in der kommenden Zeit viel tun werden“, schrieb Mary Ward 1617. Ich bin davon überzeugt, dass sie 400 Jahre später in Ägypten eine neue Aufgabe sehen würde und das Potenzial der Frauen und Mädchen erkennen könnte, die Gegenwart und auch die Zukunft dieses Landes zu gestalten.

 

Sr. Theodora Hawksley CJ ist 33 Jahre alt. Sie lebt und arbeitet als Theologin in London. Sie gehört seit 2015 zur Congregatio Jesu. Vorher promovierte sie und arbeitete als Postdoc in Edinburgh. Ihr Arbeitsschwerpunkt war dabei die Friedensarbeit, insbesondere die Frage, welchen Beitrag Religion und Kunst in einem Friedensprozess spielen können. Zurzeit bereitet sie die Veröffentlichung eines Buchs über Friedensarbeit und die katholische Soziallehre vor.

BLESS ist der karitative und soziale Arm der koptischen orthodoxen Kirche in Ägypten. Es gibt 13 Programme in den Bereichen Bildung, Gesundheitsversorgung, Jugendarbeit, Friedensarbeit und anderen sozialen Aufgabenfeldern in 40 bis 45 Gemeinden. Damit der Ansatz der Projekte nachhaltig und langfristig wirkt, werden die meisten Maßnahmen drei bis 5 Jahre lang unterstützt.

Weitere Informationen gibt es unter www.blessegypt.org und www.embraceme.org

Hinweis: Dieser Text erschien zuerst in englischer Sprache unter www.indcatholicnews.com/news/36622 Wir bedanken uns für die Möglichkeit, den Text zu übersetzen und zu übernehmen.
Übersetzung: Esther Finis
Foto mit freundlicher Genehmigung von BLESS.