„Oh, wie schön ist Panama!“: Eindrücke vom Weltjugendtag 2019
Ein kurzer Überblick über das Programm:
14.1.: Flug von München über Madrid nach Panama-City
15.1.: Busreise zu den Tagen der Begegnung von Panama-City in die Diözese David, Provinz Chiriquí, ganz im Westen von Panama; unterwegs Besichtigung des Panama-Kanals
16.1.: Ausflug nach Boquete an den Fuß des Vulkans Barú, Besichtigung einer Kaffeeplantage
16.-19.1: Tage der Begegnung in der Diözese David in zwei Gruppen: in David und - mit Sr. Magdalena - im Dorf Boquerón; Leben in Gastfamilien; Programmgestaltung durch die jeweilige Pfarrei
20.1.: Abschlussmesse in der Pfarrei und Aufbruch nach Las Lajas
20.-22.1.; Erholungs- und Reflexionstage am Strand in Las Lajas
22.1.: Busreise durch Panama in die Hauptstadt Panama-City zum zentralen Weltjugendtag; dort Unterbringung in neuen Gastfamilien
23.1.: Besuch in Adveniatprojekten (Indigenen-Projekt; Aidsprojekt); Youth-Hearing von BDKJ und Adveniat zur gesellschaftlichen Realität in Panama
24.1.: Morgens deutsche Katechese; nachmittags Willkommensfeier für den Papst an der Cinta Costera
25.1.: Morgens deutscher Gottesdienst; nachmittags Kreuzweg mit dem Papst an der Cinta Costera
26.1.: Weg zum Metro-Park; abends Vigilfeier mit dem Papst; Übernachtung auf dem Feld
27.1.: Abschlussgottesdienst mit dem Papst auf dem Feld und Rückweg in die Stadt
28.1.: Ausflug in den Regenwald
29.1.: Kleiner Ausflug ins Casco Viejo, die Altstadt von Panama, und Aufbruch zum Flughafen
29.-30.1.: Rückflug von Panama-City über Madrid nach München
Aufbruch nach Panama
54 Mutige machten sich am Morgen des 14. Januar 2019 zu nachtschlafener Zeit (der Flieger ging um 7.30 Uhr…) auf Richtung Panama. Darunter die dreiköpfige Reiseleitung aus der Erzdiözese Bamberg, zu der auch Sr. Magdalena Winghofer CJ gehörte, die Diözesanjugendpfarrer aus den Bistümern Passau und Regensburg, der BDKJ-Landesjugendseelsorger aus München als unser „Finanzminister“, zwei Malteser und natürlich junge Menschen aus den Diözesen Bamberg, Regensburg und Passau.
Die Fluggesellschaft hatte ein paar kleine "Überraschungen" für uns vorbereitet, so dass es fast an ein Wunder grenzte, dass wir am Montag-Abend (nach Ortszeit in Panama – in Deutschland war da Mitternacht schon vorbei…) schließlich tatsächlich in Panama-City ankamen.
Eintauchen in Lateinamerika
In Panama erwarteten uns nicht nur über 30 Grad, die den deutschen Schnee schnell vergessen ließen. Vor allem erwartete uns dort das Eintauchen in eine völlig andere Kultur. Eine laute Kultur, das gehörte zu den ersten Eindrücken nicht nur im Straßenverkehr von Panama-City. Auch später ertrugen selbst unsere jungen Teilnehmer mitunter die Lautstärke der Musik nur mit Ohrstöpseln. Und unvergessen bleibt allen der Weckruf, der auf dem Feld des Abschlussgottesdienstes unvermittelt über die schlafenden Pilger dröhnte: „Buenos diaaaaaas! Good moooooorning everybody! Levantense! Vamos a bailar!“ ("Lasst uns tanzen!") – früh um sechs Uhr, noch in der Dunkelheit und mit aller Lautstärke, die die Anlage hergab.
Überhaupt, die Musik: Wo die Sprache Grenzen setzte, hat es die Musik geschafft, Kulturen zu verbinden. Die anfängliche Fremdheit in den Tagen der Begegnung begann zu schmelzen, als Musik und Tänze zwischen Kulturen und Nationen ausgetauscht wurden. Und lateinamerikanische Musik ist einfach mitreißend, auch und gerade in der Kirche. Zwischen dem Stil der „Kirchenmusik“ und der im säkularen Bereich unter Jugendlichen populären Musik war kein wirklicher Unterschied erkennbar, und so konnten oft nur die wenigen des Spanischen mächtigen Teilnehmer erkennen, dass es sich um „fromme“ Musik handelt. Und so handelt es sich auch um Musik, zu der getanzt werden kann – nicht als meditatives Tanzen, sondern so, wie Jugendliche auch sonst tanzen. Und es wurde getanzt in diesen Wochen! Ich kann mich nicht erinnern, schon einmal so viel getanzt zu haben. Kommentar eines Teilnehmers: „Wenn Kirche in Deutschland so wäre, dann wären da auch mehr Jugendliche!“
Irritierendes und Begeisterndes
Kirche und Spiritualität anders zu erleben, das war sicher eine wertvolle und prägende Erfahrung dieser Reise – dass es auch anders sein kann als das, was aus Deutschland bekannt ist. Manches davon bleibt vielleicht auch befremdlich – wie der Kult um die Marienstatue aus Fatima. Anderes überraschte positiv – so weckte der auf dem Programm stehende Rosenkranz morgens um 7 Uhr zunächst nicht gerade Begeisterungsstürme der deutschen Teilnehmer, entpuppte sich dann aber als farbenfrohe Prozession durch das Dorf mit viel Musik.
Natürlich machten die Deutschen auch die Erfahrung, dass „7 Uhr“ auf dem Programm bedeutete, dass man auch um halb acht in der Regel noch gut pünktlich war. Sie lernten, sich mit Reis und Hühnchen oder gar gebratener Leber zum Frühstück mehr oder weniger zu arrangieren, freuten sich aber auch über reife Ananas, Papaya und andere exotische Früchte.
In Zeiten von Datenschutzgrundverordnungen realisierten wir irritiert und amüsiert, dass selbst der Gedanke an Datenschutz und Fotorechte in Lateinamerika vollkommen fremd ist und jeder jederzeit und überall noch ein Foto mit „den Deutschen“ wollte.
Zu einer für manche herausfordernden Erfahrung wurde die Erkenntnis, dass die „Weltsprache Englisch“ an den Grenzen des spanisch-lateinamerikanischen Kulturraumes endet – bei der Aufteilung in die Gastfamilien stellten viele mit Schrecken fest, dass ihre Gasteltern eben auch nur Spanisch sprachen. Umgekehrt stellten die Panameños überrascht und erschrocken fest, dass die meisten Deutschen kein Spanisch sprachen. Es dauerte ein paar Tage, bis die Verständigung mittels Google-Translater perfektioniert wurde…
Panama und die Polizei
Zu den für uns zunächst irritierendsten Erfahrungen gehörte sicher die unglaublich massive Polizeipräsenz, die selbst auf dem Dorf jeden unserer Schritte beobachtete und begleitete und in uns Fragen aufkeimen ließ: Ist das hier gefährlich? Sind wir hier nicht frei? Fragen, die wiederum unsere panamaischen Partner irritierten: Nein, das ist hier nicht gefährlich, und wieso fühlt ihr euch unfrei? Ist doch gut, dass die Polizei da ist, die gehören zu uns, essen ja auch mit uns… (das taten sie in der Tat, sie waren einfach immer und überall dabei). Für mich selbst war es spannend, in Gesprächen mit meiner Gastfamilie langsam zu verstehen: Panama hat noch niemals einen Krieg erlebt. Im kollektiven Gedächtnis dieses Landes gibt es einfach keine schlechten Erfahrungen mit der Polizei. Es gibt keinen Grund zu Misstrauen oder Angst vor der Polizei – die Polizei ist für sie im allerbesten Sinne ihr Freund und Helfer. Umgekehrt hat dieses Land unter seinen knapp vier Millionen Einwohnern eine Million Ausländer und Flüchtlinge, hat akut unzählige Flüchtlinge aus Nicaragua und Venezuela aufgenommen – und hatte schlicht Angst, dass ihm die Kontrolle der Situation im Zuge des Weltjugendtags entgleitet.
Soziale Gegensätze
Eine Sorge, die vielleicht nicht ganz unbegründet war. Denn Panama ist schon jetzt ein Land der krassen sozialen Gegensätze. Auch Deutschland hat, wie viele andere, seine Entwicklungshilfe für Panama weitgehend eingestellt, weil die Zahlen nicht mehr denen eines Entwicklungslandes entsprechen – nur, dass diese Durchschnittszahlen nicht die krassen Extreme sichtbar machen. Waren wir in den Tagen der Begegnung noch in Familien, die wohl zur Mittelschicht der Region gehörten, untergebracht, so wurden wir in Panama-City einem der reichsten Stadtteile zugewiesen. Fast alle schliefen in einem der Wolkenkratzer und erzählten am ersten Morgen mit ungläubigem Staunen von Wohnungen über mehrere Stockwerke, Wasserfällen im Wohnzimmer, mehreren Butlern,… Passenderweise besuchten wir an jenem Morgen zwei Projekte, die das Hilfswerk Adveniat in Panama unterstützt – mit der einen Gruppe bin ich an den Rand der Stadt zu den Müllkippen gefahren, um dort eines der indigenen Völker Panamas zu besuchen… (die wohlgemerkt schon da waren, bevor dort riesige Müllberge entstanden!). Der Kontrast zwischen der Lebensrealität in den Gastfamilien und in den Projekten hätte kaum größer sein können.
Irritierend auch, wie viel Müll an vielen Stellen des Landes herumlag – und gleichzeitig beeindruckend, wie sehr in Panama gerade das Bewusstsein für Ökologie erwacht. Im Rahmen der Tage der Begegnung war ein ganzer Tag diesem Thema gewidmet, und in Panama-City im Rahmen der Großveranstaltungen wurde die „Generation Laudato si“ ausgerufen. Vielleicht, weil Panama schon die Folgen der Umweltzerstörung erlebt? Das indigene Volk der Kuna lebt eigentlich auf vorgelagerten Inseln; durch den Anstieg des Meeresspiegels hat es schon die ersten verlassen müssen und bereitet die Räumung weiterer Inseln vor, die bald im Meer versinken werden…
In all diese Erfahrungen hinein hat mich der Kreuzweg an der Cinta Costera sehr beeindruckt: Station für Station wurden die Länder Mittelamerikas in den Blick genommen und ungeschönt benannt, was ihre (und nicht nur ihre) Kreuze sind: die Unterdrückung der indigenen Völker – die Zerstörung der Umwelt – die Korruption – willkürliche Ermordungen… aber auch dem Missbrauch und der Diskriminierung von Frauen waren Stationen gewidmet. Das Leid dieser Menschen und Völker kam mir dabei sehr nahe – aber auch die Solidarität Jesu, der ihren Kreuzweg teilt.
Was bleibt?
Was denn unsere Jugendlichen jetzt von der Zeit in Panama mitnehmen würden, fragte uns die Pfarreiverantwortliche in Panama-City bei unserer Abreise. Das wird sich wohl erst im Lauf der Zeit zeigen, habe ich u.a. geantwortet. So, wie ich auch selbst noch nicht so genau sagen kann, was ich mitnehme.
Einen Eindruck einer anderen Kultur mit ihren Licht- und Schattenseiten.
Die Erfahrung unglaublicher Gastfreundschaft.
Einen großen Respekt vor der Organisation des Weltjugendtages durch dieses Land – ihr habt es wirklich richtig gut hingekriegt!
Einen Eindruck vom Regenwald, davon, wie Kaffee wächst und verarbeitet wird, wie man Saft aus Zuckerrohr presst und wie Reis verarbeitet wird.
Eine mitreißende Musik, eine begeisterte und begeisternde Spiritualität und eine erstaunlich „moderne“ Kirche, gerade in ihrer Theologie (zumindest in dem, was ich an Predigten etc. gehört habe – sehr fundiert wurde da z.B. eine diakonisch ausgerichtete Pastoral dargelegt).
Botschaft des Papstes
Und es bleiben mir nicht zuletzt die Ansprachen des Papstes, voll mitreißenden Vertrauens in die Jugendlichen:
„Ihr, liebe junge Freunde, ihr seid nicht die Zukunft. Wir sagen gern: „Ihr seid die Zukunft …“ Nein, ihr seid die Gegenwart! Ihr seid nicht die Zukunft Gottes: ihr jungen Leute seid das Jetzt Gottes! […] Als ob jung zu sein gleichbedeutend wäre mit „Wartezimmer“ für jemanden, der auf seinen Termin wartet. Und in der „Zwischenzeit“ bis zu diesem Termin erfinden wir für euch oder ihr selbst erfindet eine hygienisch gut verpackte und folgenlose Zukunft, die gut aufgebaut und in der alles gewährleistet und „gut abgesichert“ ist. Wir wollen euch nicht eine Zukunft aus dem Labor anbieten! Das ist die „Fiktion“ der Freude, nicht die Freude des Heute, des Konkreten, der Liebe. Und so „beruhigen“ wir euch mit dieser Fiktion der Freude, wir schläfern euch ein, damit ihr keinen Krach macht, damit ihr nicht zu sehr stört, damit ihr euch selbst und uns keine Fragen stellt, damit ihr euch selbst und uns nicht in Frage stellt. Und in dieser „Zwischenzeit“ verblassen eure Träume, sie kriechen dahin, sie beginnen einzuschlafen und sind kleine, traurige „Illusionen“, nur weil wir meinen oder ihr meint, dass euer Jetzt noch nicht gekommen ist; dass ihr zu jung seid, um euch beim Träumen und Aufbauen der Zukunft einzubringen.“ (aus der Ansprache im Abschlussgottesdienst)
Und verbunden mit seiner Ermutigung an die Jugendlichen stellte Papst Franziskus Fragen an uns, die Erwachsenen:
„Ja, eigentlich ist es eine Frage, die ihr uns stellen müsstet, ihr junge Menschen müsstet sie uns Erwachsenen stellen, und wir werden euch darauf antworten müssen: Welche Wurzeln geben wir euch? Welche Grundlagen, auf denen ihr euer Menschsein aufbauen könnt? Es ist eine Frage an uns Erwachsene. Wie leicht ist es, junge Menschen zu kritisieren und die ganze Zeit herumzunörgeln, wenn wir ihnen Arbeits- und Bildungsmöglichkeiten sowie Gemeinschaftserfahrungen vorenthalten, die Halt geben und Zukunftsträume wecken! […] Ich frage die Erwachsenen hier und die, die uns zuschauen: Was tust du für die Zukunft, für die Lust auf Zukunft dieser jungen Menschen von heute? Bist du fähig, dafür zu kämpfen, dass sie Möglichkeiten zur Bildung haben, dass sie Arbeit finden, dass sie Familie haben, dass sie Gemeinschaft haben? […] Wir können uns fragen: Wie gehe ich mit den Jugendlichen um, die ich sehe? Kritisiere ich sie oder interessieren sie mich nicht? Helfe ich ihnen oder interessieren sie mich nicht? Stimmt es, dass sie für mich schon lange aufgehört haben zu existieren?“ (aus der Ansprache in der Vigilfeier)
Mögen diese Anfragen Ansporn sein für uns, die wir versprochen haben, „besondere Sorge für das Wohl der Jugend zu tragen“!
Text und Fotos: Sr. Magdalena Winghofer CJ