Ein Jahr Postulat oder "Überraschung- ich gehe in einen Orden!"

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In letzter Zeit habe ich häufiger Gespräche geführt, die in etwa so abliefen:

"Was machst du dann jetzt eigentlich, wenn du nicht mehr im Bundestag arbeitest? Arbeitest du wieder als Ingenieurin?"- "Das beantworte ich dir, wenn ich dann auch die ersten paar Klischeebilder oder Fragen in deinem Kopf beantworten darf!"- "Gut!"

Neugierige Blicke. Wenn mein Gegenüber die Jesuiten ungefähr richtig einordnen kann, konnte ich den ersten Teil der Erklärung abkürzen auf "eine weibliche Form der Jesuiten".

Seit letztem Oktober bin ich berufsbegleitend Postulantin der CJ. Konkret hieß das, im Schnitt einmal im Monat ein paar Tage nach Bayern zu fahren, um in der Altöttinger Kommunität mitzuleben. Mit den Schwestern dort den Alltag teilen: gemeinsam beten, essen, in der Kommunität mithelfen und das Examen generale (der erste Teil der ignatianischen Konstitutionen) studieren. Zudem bekam ich regelmäßig Einführungen in die Biographie der Gründerin Mary Ward und eine historische Einordnung dazu.

Lea Fränzle zu Beginn ihres Postulats.

Die Kommunität als Zoom-Hintergrund

Ein üblicher Tag in Altötting sah für mich ungefähr so aus: Aufstehen, Eucharistiefeier, Frühstück, Arbeitszeit, Examen Generale studieren, (Rosenkranz- der ist freiwillig, und meistens fiel er für mich aus), Mittagessen, Arbeitszeit, nochmal Examen, viel zu früh Abendessen, Freizeit.

Die Arbeitszeiten waren zweigeteilt: entweder nutzte ich die großzügige Regelung zum mobilen Arbeiten im Bundestag und meine Kolleg*innen lernten die Kommunität als Zoom-Hintergrund kennen, oder ich half bei allem, was in Altötting an praktischen Dingen anfiel. Meistens war ein halber Tag pro Aufenthalt der Arbeit für die Kommunität reserviert, beispielsweise durfte ich gemeinsam mit Sr. Anna das Novizenwäldchen von seinen Sturmschäden befreien und wieder gangbar machen. Im Sommer waren dann unzählige Kilo Obst zu ernten und zu verarbeiten. Dass es dabei nicht immer todernst zuging, versteht sich von selber. Aber tatsächlich war die körperliche Arbeit eine willkommene Abwechslung.

Der Kontrast zwischen Gesetzesverhandlungen und Gartenarbeit

"Sind das nicht zwei komplett verschiedene Welten?!" lautete eine Frage, die ich öfter zu hören bekam, wenn es um mein Leben zwischen Bundestag und Orden ging. Nun muss ich zugeben, dass der Kontrast zwischen Gesetzesverhandlungen im Berliner Paul-Löbe-Haus und Gartenarbeit in Altötting manchmal schon krass war, aber insgesamt hatte ich nicht den Eindruck, dass da ein grundsätzlicher Widerspruch besteht. Im Gegenteil beschwerte ich mich halb-ernst gegenüber einer Freundin darüber, jetzt endgültig den ganzen Tag Rechtstexte zu lesen: wahlweise für die Arbeit in Berlin oder aber das Examen Generale.

Die Schwestern in Altötting gehen übrigens mit großer Gelassenheit damit um, dass der Marienwallfahrtsort in der bayerischen Provinz und eine Seniorinnenkommunität mit einem Durchschnittsalter von 84 Jahren nicht das natürliche Habitat einer Mittzwanzigerin aus der ostdeutschen Diaspora ist. Und es bewahrheitet sich Mary Wards These: “Der Humor ist nach der Gnade das nächste.”

Sinn des Ganzen ist, in diesem Jahr das Leben in der CJ besser kennenzulernen, zu prüfen und mich prüfen zu lassen, ob ich den Weg in die Gemeinschaft weitergehen will und kann. Am Ende stand meine Zulassungsbitte zum Noviziat, der der Provinzrat zum Glück entsprochen hat.

"Und warum willst du das dann?"

Abgesehen von einer Handvoll Freund*innen, die von meiner Suche wussten, (und meinem Chef, der meinen Kündigungsgrund ungerührt mit einem "konnte ja nur irgend so was sein!" quittierte), sorgte meine Entscheidung in meiner Familie und dem weiteren Umfeld doch für einige Überraschung. Dass Ordensleute Gelübde der Armut, Keuschheit und des Gehorsams ablegen, haben fast alle schon mal gehört. Die klassischen weiteren Fragen wie "Bist du dann sowas wie ein Mönch?", "Bist du schon so super christlich aufgewachsen?!", "Wolltest du das schon immer?", "Musst du dann auch so komische Gewänder tragen?" kann ich getrost mit Nein beantworten. Die Antwort auf die meisten "Darfst du dann noch...?"-Fragen (rausgehen, ein Handy haben, Alkohol trinken und Sport machen) lautet hingegen Ja. Schwieriger wird es dann bei Fragen wie "Und warum willst du das dann?".

Lea Fränzle zusammen mit Sr. Britta Müller-Schauenburg in Altötting.

Hier muss ich gestehen, dass meine Antwort nicht nur von der Tagesform und dem Zeitrahmen, sondern auch davon abhängt, wie vertraut ich mit der fragenden Person bin. Die lapidare Basisversion "weil ich den Gedanken leider nicht losgeworden bin" stimmt zwar, aber geht nicht so tief wie eine Antwort, in der etwas von Berufung zum Klingen kommt: der Erfahrung von Lebendigkeit, dem seltsam starken Eindruck, dass diese Lebensweise etwas mit mir zu tun hat, meiner Sehnsucht danach, mein ganzes Leben in Dienst nehmen zu lassen; davon, dass die Beziehung zu Christus zwar nicht einfach, aber doch die wichtigste meines Lebens ist. Dass ich auf ein Leben in Fülle hoffe- auch wenn der Gedanke verrückt erscheint.

Die ebenso häufig gestellten Fragen "Kannst du dann noch was mit deiner Ausbildung anfangen?" (hoffentlich!) oder "Kannst du dann später wieder in der Politik arbeiten?" (theoretisch zumindest ja) können nur im Laufe der Zeit beantwortet werden. Denn das Noviziat zu beginnen, heißt nicht automatisch, es nach zwei Jahren mit der Erstprofess zu beenden. Aber jetzt fange ich erstmal an.

Text: Lea Fränzle, Bilder: Sr. Elisabeth Kampe