Fürchtet euch nicht
Impuls von Schwester Birgit Stollhoff
Am schwierigsten sind immer die Tage danach: nach großen Ereignissen, Veranstaltungen, Festen, Veränderungen. Und ich habe beobachtet, dass es ziemlich egal ist, ob das nun schöne Ereignisse waren wie die Hochzeit enger Freunde, die Abgabe einer wichtigen Arbeit, der WM-Sieg der Fußballer oder schlechte Erlebnisse, etwa der Sturz und Beinbruch, ein Streit oder eine Absage im Beruf.
Was immer auf solche Höhe- oder Tiefpunkte folgt ist die Leere. Auf das Hinfiebern und das Ereignis folgt die Stille. "Worüber wollt ihr denn jetzt noch miteinander reden? Gibt es ein Leben nach der Hochzeit?" habe ich Freunde nach deren aufwändig vorbereitem Fest halb im Scherz, halb im Ernst gefragt. Und deren Reaktion hat gezeigt: Wir sind uns dieses Problems bewusst! Flitterwochen als Mittel gegen den "Kater danach"?
Diese Leere zwischen Ende und Neuanfang, die Erschöpfung nach großen Gefühlen ist für mich wie ein Verweilen im leeren Grab Jesu. So ähnlich muss sich Maria von Magdala gefühlt haben - ausgebrannt, erschöpft, gleichzeitig die Klarheit: Es ist vorbei! Und jetzt ist Trauer angesagt.
Aber das leere Grab Jesu ist kein Ort der Vergangenheit, sondern der Zukunft! In das Schweigen des "Vorbei" hinein tritt das Unbekannte: Die Welt bewegt sich, ein Neuanfang wird angekündigt und der alte, tote Freund kommt vertraut und gleichzeitig fremd wieder.
Ein Satz ist für mich besonders wichtig in diesem Moment "Fürchtet Euch nicht!"/"Fürchte Dich nicht!": Fast hundertmal werden diese Sätze in der Bibel gesagt. Denn egal, was kommt, ob gut oder schlecht: Das Neue macht Angst! Es ist unbekannt, nicht beherrschbar, kann uns und unser Umfeld verändern. Die Wächter, deren Aufgabe es ist, für Ordnung zu sorgen, die Vertreter der Obrigkeit, halten dieses Beben nicht aus und erkennen auch das Neue nicht. Es sind die Frauen, die den Neuanfang wagen.
Den Frauen wurde im alten Israel wenig zugetraut. Und als Zeugen für gerichtsrelevante Beobachtungen waren sie schon gar nicht anerkannt. Ausgerechnet die Frauen also! Sie vertrauen dem Unglaublichen, sie sehen das Unvorstellbare.
Und auch das deckt sich mit meiner Erfahrung bei Veränderungen: Sie laufen nie so ab, wie ich es mir ausmale! Auf schöne Erfahrungen folgt nicht automatisch die geplante Noch-Schönere-Erfahrung; genauso wenig wie das düstere Worts-Case-Szenario bei schwierigen Entwicklungen. Meist kommt etwas Anderes: ein bislang übersehener Mensch, eine unscheinbare Idee oder Bemerkung am Rande, die erst jetzt, in der Leere den Platz hat, gehört und groß zu werden.
"Man kann Probleme nicht mit der gleichen Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind." lautet ein Zitat, das Albert Einstein zugeschrieben wird. Mir hat es klargemacht, dass jeder Neuanfang voraussetzt, dass ich mich ändere; das alte Denken loslasse. Und oft gehört zu Veränderung genau diese Ruhephase im leeren Grab. Und dann? Wie endet diese angehaltene Zeit? "Nicht müde werden, sondern dem Wunder leise, wie einem Vogel, die Hand hinhalten.", rät die Dichterin Hilde Domin.
Von Sr. Birgit Stollhoff CJ
Evangelium nach Matthäus (Mt 28,1–10)
Die Botschaft des Engels am leeren Grab
Nach dem Sabbat kamen in der Morgendämmerung des ersten Tages der Woche Maria aus Magdala und die andere Maria, um nach dem Grab zu sehen.
Plötzlich entstand ein gewaltiges Erdbeben; denn ein Engel des Herrn kam vom Himmel herab, trat an das Grab, wälzte den Stein weg und setzte sich darauf. Seine Gestalt leuchtete wie ein Blitz und sein Gewand war weiß wie Schnee.
Die Wächter begannen vor Angst zu zittern und fielen wie tot zu Boden. Der Engel aber sagte zu den Frauen: Fürchtet euch nicht! Ich weiß, ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten. Er ist nicht hier; denn er ist auferstanden, wie er gesagt hat. Kommt her und seht euch die Stelle an, wo er lag.
Dann geht schnell zu seinen Jüngern und sagt ihnen: Er ist von den Toten auferstanden. Er geht euch voraus nach Galiläa, dort werdet ihr ihn sehen. Ich habe es euch gesagt. Sogleich verließen sie das Grab und eilten voll Furcht und großer Freude zu seinen Jüngern, um ihnen die Botschaft zu verkünden.
Die Erscheinung Jesu vor den Frauen
Plötzlich kam ihnen Jesus entgegen und sagte: Seid gegrüßt! Sie gingen auf ihn zu, warfen sich vor ihm nieder und umfassten seine Füße.
Da sagte Jesus zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Geht und sagt meinen Brüdern, sie sollen nach Galiläa gehen und dort werden sie mich sehen.
Erschienen am 16.04.2017 in der Reihe "Ausgelegt!" bei katholisch.de