Der Kolonialismus in den Dingen
Die Sonderausstellung "Der Kolonialismus in den Dingen" widmet sich der Frage, wann ein Kunstwerk kolonial ist. In einem Zeitstrahl werden dabei historische Zeugnisse wie Skulpturen, Malereien oder Lackarbeiten ausgestellt, die in der Kolonialzeit nach München gebracht wurden und heute vielfach als Meisterwerke gelten. Die Auswahl umfasst Alltagsgegenstände ebenso wie Werke von spiritueller, politischer oder künstlerischer Bedeutung.
In begleitenden Texten zu den Objekten wird dabei nachvollzogen, auf welche Weise die Gegenstände in den europäisch beherrschten Kolonialgebieten gekauft, getauscht, als Geschenk angenommen, aber auch geraubt wurden. Inhaltlich gliedert sich die Ausstellung in drei historische Etappen: Zunächst widmet sie sich der frühen kolonialen Zeit Mitte des 19. Jahrhunderts mit einigen Exponaten. Exemplarisch für diese Zeit werden dabei einige Persönlichkeiten Münchens vorgestellt, die zu der Zeit in den europäischen Kolonien unterwegs waren und Kunstgegenstände erwarben und nach München zurück transportierten. Eine dieser ausgewählten Personen ist Sr. Xaveria Berger von den "Englischen Fräulein", geboren 1823 in Regen, gestorben 1867 in Bad Reichenhall.
Sr. Xaveria lebte 1860 bis 1864 als Oberin einer Missionsstation der Englischen Fräulein in Patna in Nordindien. Der Vikar von Patna, Anastasius Hartmann, hatte 1849 eine Missionsstation in Patna/Bankipore begründet, in der seit 1853 die „Englischen Fräulein“ ein Institutshaus mit Mädchenpensionat und Waisenhaus betrieben. Sie kam also relativ kurz nach den Indischen Aufständen, als hinduistische und muslimische Soldaten und bald auch ein Großteil der indischen Zivilbevölkerung im Norden gegen ihre britischen Befehlshaber gemeutert hatten und in den darauffolgenden Aufständen besiegt worden waren. In ihrer Zeit in Indien erwarb sie mehrere hundert Kunst- und Alltagsgegenstände.
In der Ausstellung sind auf Elfenbein gemalte indische Miniaturen präsentiert. Sie zeigen den indischen Mogul Bahadur Shah II. und seine Ehefrau Zeenat Mahal. Ein Handspiegel aus Messing und Glas aus der Sammlung Xaveria Berger mit der Darstellung des Affengottes Hanuman auf dem Deckel, zeigt, wie auch Gebrauchsgegenstände reich verziert wurden.
Über 300 Objekte erwarb Sr. Xaveria in ihrer Zeit in Indien
Im Katalog, der zur Ausstellung herausgegeben wurde, geht Anne Hartig, Kuratorin der Abteilung Süd- und Südostasien am Museum Fünf Kontinente, auf die Sammlung Xaveria Berger ein. Zu der gehören über 300 Objekte, die Sr. Xaveria in ihrer Zeit in Patna, der heutigen Hauptstadt des indischen Bundesstaates Bihar, erwarb und nach München brachte. Darin befanden sich unter anderem indische Alltagsgegenstände, Textilien, Musikinstrumente, Schmuckstücke und Kunstwerke, sowie lebendige Papageien und Affen. Die Sammlung wurde der bayerischen Öffentlichkeit 1863 im Institutshaus präsentiert und später an die Königliche Akademie der Wissenschaften verkauft. Diese Sammlung war eine der ersten, die nach München gelangte und bildete damit nicht nur einen wichtigen Grundstock für die Bestände des Museums, sondern prägte auch das Bild von Südasien in München und darüber hinaus. Doch auch der Erwerb der Gegenstände, der Transfer der Objekte nach Bayern und letztendlich ihre Aufnahme in das Museum, ist Thema. Zusätzlich werden weiterführende Fragen angesprochen: Welches Ziel verfolgte die Missionarin mit ihrer Sammlung? Ist die Sammlung als kolonial, missionarisch und weiblich geprägt erkennbar? Und nicht zuletzt: Welche Auswirkungen hatte sie auf das Bild und Verständnis von Indien in Deutschland?
Die Sonderausstellung ist noch bis zum 18. Mai im "Museum Fünf Kontinente München", Maximilianstraße 42, zu sehen.
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag, 9:30 bis 17:30 Uhr.
Text: Christina Waechter