Der Berg, den es nicht gibt und die Erkenntnis, die ich nicht verstehe – das Tabor
Auf dem Lebensweg schenken Bergspitzen Orientierung und Sicherheit. Die Sehnsucht ist oft groß, diese Orte zum "zu Hause" zu machen, weiß Schwester Birgit Stollhoff. Und doch ist da diese Ahnung, dass auch diese Erfahrung vorübergehen wird.

„Tabor – Dein Berg in der Stadt.“ So steht es auf den Hoodies, die unsere FSJlerin für unser Jugendpastorales Zentrum Tabor in Hannover designt hat. Darunter ist ein Bild von Bergen. Aber: Hannover ist eine flache Stadt, plattes Norddeutschland! Kann unsere FSJlerin keine Geografie? Oder hat sie vielleicht ein sehr gutes Gespür für die Jugendlichen, den Ort und den Namen?
Was hat ein offenes katholisches Jugendcafé mit dieser Verklärung gemeinsam? Es geht um zuhause. Als „zuhause“ beschreiben viele ehemalige Teamer:innen unser Tabor in Hannover. Zum „zuhause“ wollen auch die Jünger den Berg machen. „Zuhause“, das haben beide Szenen gemeinsam, ist Vergangenheit. Zuhause ist Sicherheit, Vertrautes. Den Jüngern geben die Propheten Sicherheit, den Jugendlichen gibt das Café als offener Ort Sicherheit.
Ein Berg ermöglicht es mir auch, den eigenen Ort zu bestimmen und mich zu orientieren. Vom Berggipfel kann ich die Landschaft erkennen. Erkenntnis gibt Klarheit und damit auch Sicherheit. Das Tabor bietet den Jugendlichen, wie ein Berg im platten Land, Orientierung. Zum Tabor zeigt die verlässliche Kompass-Nadel in den Fragen und dem Chaos des Alltags. Und auch den Jüngern gibt es Orientierung, dass sie Jesus zusammen mit Mose und Elija sehen. Im jüdischen Denken klärt das seinen Status als bedeutende Führungs-Person.
Trotzdem bleiben Paradoxien – in Hannover gibt es doch keinen Berg und die Propheten verschwinden wieder und es wird ganz anderes gesagt. Das wiederum ist typisch für mystagogische Erfahrungen, Erfahrungen mit Gott: Sie sind Erkennen und Verwirrung gleichzeitig, lassen uns verstehen und nicht-verstehen. Wir begreifen und begreifen doch nicht.
Die Jugendlichen ahnen, dass dieser sichere, zentrale Ort Tabor und die Menschen hier wieder verschwinden werden. Was ihnen vielleicht nicht klar ist – auch sie verlassen das Tabor verändert- erwachsener, gereifter in den Erfahrungen und Gesprächen hier. Die Prüfungen, auf die dieser Berg sie vorbereitet, kommen im Leben noch. „Heimat ist der Duft der Erinnerungen“ habe ich mal gelesen. Heimat ist flüchtig, verschwebt in der Zukunft.- Die Jünger können am Berg nur ahnen, dass mit Jesus und ihnen noch ganz anderes geschehen wird. Das nach der Erkenntnis von Ruhm und Glorie der Abstieg kommt, das Kreuz. Bis zur nächsten Gotteserfahrung, die alles verändert – die Auferstehung.
Und so kann ein Jugendcafé im flachen Hannover ein Berg Tabor sein. Und vielleicht fallen Ihnen jetzt noch andere Tabor-Orte ein – der Regentag, an dem das Herz hell und warm wurde; der Schmerz, aus dem Liebe gewachsen ist; die verpatzte Prüfung, die zur Zukunft wurde. Manchmal sind Dinge einfach und kompliziert, schmerzhaft und schön zugleich und manchmal ist dabei der Himmel offen.
„Tabor“-Momente eben!
Text: Birgit Stollhoff CJ, Bild: analogicus/pixabay