Das Meditationsrad des Hl. Bruder Klaus von Flüe: Einladung zur Dankbarkeit

Eingang zur Zukunftswerkstatt der Jesuiten in Frankfurt.

 

„Zur Zeit der Vesper am späteren Nachmittag dankte Klaus dem Herrn Christus für die Liebe, die er den Seinen in der Fußwaschung und im heiligen Abendmahl bewies.

Zur Zeit der Komplet am späten Abend dankte er seinem Erlöser, dass er in seiner Liebe seinetwegen gezittert und Blut geschwitzt hatte, (…).

In der Nacht betete Klaus die Matutin: „Ich danke Dir, Herr, dass Du mir so große Liebe erzeigtest, dass sie Dich im Hause des Kaiphas um meinetwillen verspotten und bespeien durften. (…)

In der Morgenfrühe erhob sich Klaus zur Prim.  Er dankte für die Liebe, dass er sich um seinetwillen von Herodes und seinem Kriegsvolk verspotten ließ. (…)

Um neun Uhr vormittags betete Klaus die Terz. Er dankte dem Herrn, dass er sich ihm zuliebe geißeln ließ, (…).

Zur Sext, zwölf Uhr mittags, dankte er, dass Christus sich ans Kreuz schlagen ließ, ihm zugut.

Und zur Non, 15 Uhr nachmittags, sagte er dem Herrn den Dank für seinen Tod, den er um seinetwillen am Kreuz gestorben ist.“

(Roland Groebli: Die Sehnsucht nach dem „einig Wesen“: Leben und Lehre Bruder Klaus von Flüe, Seite 48-49)

Bruder Klaus von Flüe war ein Einsiedler, Asket und Mystiker in der Schweiz im 15. Jahrhundert. Zum ersten Mal habe ich ihn am Anfang meines Noviziats kennengelernt. Jeden Donnerstag vor der Anbetung beten wir zusammen mit den Schwestern sein Gebet:

Mein Herr und mein Gott, nimm alles mir, was mich hindert zu Dir. Mein Herr und mein Gott, gib alles mir, was mich fördert zu Dir. Mein Herr und mein Gott, nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen Dir.

Zum zweiten Mal habe ich Br. Klaus im Buch von Luis de Wohl Das goldene Netz getroffen. Er kommt in dieser belletristischen Verarbeitung der Lebensgeschichte des Hl. Ignatius von Loyola indirekt vor, als der Urenkel des schweizerischen Soldaten, der den Hl. Ignatius in Pamplona mit dem genau gezielten Schuss aus der Kanone verletzt.

Jetzt bin ich in der Zukunftswerkstatt in Sankt Georgen in Frankfurt am Main, und P. Sebastian Ortner SJ gibt mir ein blaues Buch: Die Sehnsucht nach dem „einig Wesen“ – Leben und Lehre des Bruder Klaus von Flüe. Das Buch hat einen blauen Kreis auf seinem Cover, der sich an den Türen der Zukunftswerkstatt in der roten Farbe spiegelt. Ein Kreis, der wie ein Wagenrad aussieht: zwei konzentrische Kreise, verbunden durch sechs Nägel – eigentlich, das Symbol der Zukunftswerkstatt. Zum dritten Mal nehme ich die Einladung dieses Asketen wahr und an.  

Br. Klaus wurde 1417 geboren und starb 1487. 1491 kam der Hl. Ignatius von Loyola in die Welt, der mich immer faszinierte als jemand, der in der Zeit des Umbruchs des 16ten Jahrhunderts stand, als jemand, der die Gegenwart so umfasste und in den geistlichen Nöten der gegenwärtigen Welt zu lesen so übte, dass es – wie ich glaube – ihm gegeben wurde, dass er die Welt dem Verständnis der Fülle ein Stück näherbringen konnte. Gerne denke ich darüber nach: wie es war, in dieser Zeit des Umbruchs zu leben?

Br. Klaus war kein Zeitgenosse des Hl. Ignatius – und dadurch ist die Frage plötzlich weiter geworden: Wie war es, in der Zeit, die noch schwanger mit dem Umbruch war, zu leben?

Das Rad ist eigentlich nicht nur ein Rad, sondern vor allem ein Meditationsbild. Im Original besteht es aus sechs Medaillons, die den Kreis bilden, und einem Medaillon in der Mitte. Dort, im innersten Kreis, tritt an die Stelle des Punktes, als Zeichen des Anfangs und des Ewigen, das göttliche Antlitz – Jesus Christus. Die sechs Medaillons in dem Kreis zeigen die Verkündigung, Geburt Jesu, Schöpfung, Gefangennahme Jesu, Kreuzigung, und Eucharistie.[1] Sieben Medaillons, die sich untereinander und zur Mitte in Beziehung setzen.

Das rote Meditationsrad findet man auch an der Tür in den Meditationsraum hier in der Zukunftswerkstatt. Da beginnen und schließen wir den Tag zusammen im Gebet. Wie uns der Hl. Ignatius von Loyola eingeladen hat, abends, beim Tagesrückblick, rufe ich meinen Tag noch mal in Erinnerung. Ich gehe durch den Tag, von dem Morgengebet und dem Gottesdienst, durch den Vormittag, meine heutige Arbeit, zum Mittagessen in der Mensa, zu denen, die ich heute hier auf dem Campus traf, mit denen ich sprach, - durch die Zeiten in der Gemeinschaft und durch die Zeiten allein mit Gott: Stunde nach Stunde. Stunden, die – wie die Medaillons des Meditationsrads – untereinander und, vor allem, zur Mitte in Beziehung stehen.

Dann komme ich im Gebet zurück in den Meditationsraum. Ich lasse meinen Blick über den ausgebreiteten Tag schweifen, und ich suche, was mich mit Dankbarkeit erfüllt. Dafür danke ich Gott. – Daraufhin erinnere ich mich an Br. Klaus, der siebenmal pro Tag dem Herrn dankte. Siebenmal pro Tag – dankbar zu werden.

Nun bewegt mich das Zitat von P. Alfred Delp SJ an der Mauer des Meditationsraums: „Man muß die Segel in den unendlichen Wind stellen, dann erst werden wir spüren, welcher Fahrt wir fähig sind.“

Nach dem Gebet, wenn ich die Tür schließe, verstehe ich, dass die Dankbarkeit die Kraft ist, die das Rad in Bewegung setzt (vgl. mit Ez 1,20). Jetzt und hier – sowohl in den Zeiten des Umbruchs, als auch in den Zeiten, die noch schwanger mit Umbruch sind.

Im Buch von Roland Groebli lese ich weiter, dass man bei der Betrachtung des Meditationsbilds ebenso von den Werken der Barmherzigkeit ausgehen kann, den Seligpreisungen oder den Vater-unser-Bitten, die jedem Medaillon zugeordnet werden können.[2] Ich nehme diese Einladung zum Vertiefen, - mehr, magis – wahr und an, - bis zum nächsten Mal, Bruder Klaus, und – Danke!

[1] Zitiert von dem Infoblatt zum Sachsler Meditationstuch.

[2] dtto.

Text: Sr. Kamila Josefína Trojanová CJ