CJ-Schwester im Wahlkampf
Oder: Wie gestalte ich die zukünftigen Rahmenbedingungen für die Pflege mit?
Nach inzwischen vier Jahren Tätigkeit für das Landesbüro „Caritas in Niedersachsen“, dort konkret für den Bereich Altenhilfe und Pflege zuständig, sind mir viele Aufgaben im Arbeitsalltag eines Spitzenverbandes der Freien Wohlfahrtspflege vertraut. Unzählige Stellungnahmen und Gremiensitzungen, Verhandlungen über Pflegevergütungen und Rahmenverträge, Anhörungen, parlamentarische Abende, Schreiben an Abgeordnete und an die Ministerialbürokratie, Rundschreiben und Konferenzen zur Information der Einrichtungen und vieles mehr gehörten zu meinen Aufgaben. Aber eine Aufgabe durfte ich 2017 neu erleben: das Einmischen in den Wahlkampf.
In Hannover war dies gleich ein doppelter Wahlkampf: zur Bundestagswahl am 24. September 2017 und zur Landtagswahl am 15. Oktober 2017. Diese Form, sich einzumischen, das Wort für die Anliegen der Caritas-Altenhilfe - der Pflegekräfte ebenso wie der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen - zu ergreifen, Aufmerksamkeit für Pflegethemen zu schaffen, und das mitten im Wahlkampf der verschiedenen Parteien und Kandidaten untereinander, war eine neue, spannende Erfahrung.
Erarbeitung von Wahlprüfsteinen
Bereits früh im Jahr waren wir gefordert, unsere eigenen Forderungen an die Parteien im Wahlkampf und damit für die nächsten Legislaturperioden zu formulieren. Auf der Grundlage unserer bereits vorliegenden pflegepolitischen Positionen war es eine leichtere Übung, diese mit Blick auf die Bundes- und Landtagswahl zu fokussieren, erneut abzustimmen und in den Druck zu bringen. Wer nachlesen möchte, was wir erarbeitet haben, findet die Postionen unter http://www.caritas-nds.de/pflegepolitische-positionen
Anschließend mussten diese Forderungen an die Einrichtungen verteilt und die Verantwortlichen dort auch zu eigenen Aktivitäten motiviert werden. Die Begleitung der Aktionen in den sozialen Medien gehörte selbstverständlich mit dazu. Auch für die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege war ich an der Erarbeitung von so genannten "Wahlprüfsteinen" beteiligt.
Persönliche Gespräche und Diskussionsrunden
Ebenfalls zu einem frühen Zeitpunkt war ich an Gesprächen und Veranstaltungen beteiligt, in denen die zukünftigen Positionen einzelner Parteien im Land Niedersachsen abgestimmt wurden – und habe hier die pflegepolitischen Positionen der Caritas vertreten. Ähnliches galt für Entwürfe von Wahlprogrammen bzw. Regierungsprogrammen, die es zu studieren galt: Welche Forderungen erscheinen aus Sicht der Caritas kontraproduktiv? Welche wichtigen Aspekte fehlen? Wo gibt es Möglichkeiten, noch Änderungen herbei zu führen? Mit der Veröffentlichung der Wahlprogramme auf der Bundes- wie auf der Landesebene war die eigentliche Arbeit bereits getan, Einfluss ließ sich hier vor allem in einem frühen Stadium, beim Ausformulieren von Positionen nehmen. Im nächsten Schritt blieb dann noch die Auswertung der Aussagen der Parteien zur zukünftigen Gestaltung der Pflege.
Das war aber noch längst nicht alles. Es geht nichts über das persönliche Gespräch und die Begegnung mit den einzelnen Kandidatinnen und Kandidaten. Für die Mitgliederversammlung der Caritas-Altenhilfeträger in Niedersachsen hatte ich daher die Aufgabe, eine Podiumsdiskussion zur zukünftigen Pflegepolitik zu organisieren. Vertreterinnen und Vertreter aller im Landtag vertretenen Parteien waren der Einladung gefolgt und diskutierten Ende August untereinander, aber auch mit den anwesenden Einrichtungsleitungen. Schließlich hatte die Caritas in Niedersachsen zusammen mit dem ka:punkt, der zentrale Anlaufstelle der katholischen Kirche in der Hannoveraner Innenstadt, vier „Politik-Talks“ mit Kandidatinnen und Kandidaten organisiert. An drei dieser Gesprächsrunden im ka:punkt konnte ich selbst teilnehmen – es waren jeweils 90 Minuten spannende Gespräche über die verschiedenen Themen, die die Besucher bewegten, über viele sozialpolitische Themen und selbstverständlich auch über die zukünftigen Rahmenbedingungen in der Pflege.
Als Ordensschwester in der politischen Diskussion
Wie ging es mir als Ordensschwester in alldem? Zunächst fand ich es spannend, so klar und entschieden für Pflegethemen einzutreten, mich zur Anwältin der Sache und der dahinterstehenden Menschen zu machen – und das im Kontakt mit Vertreterinnen und Vertretern unterschiedlicher Parteien (die AfD war allerdings nicht dabei, wobei diese auch keinerlei Ideen zur Weiterentwicklung der Pflege – wie auch zu anderen sozialpolitischen Bereichen – hat). Für mich war selbstverständlich, dass die Auseinandersetzungen sich stets um die Sache drehten, ich in der zwischenmenschlichen Begegnung stets freundlich und verbindlich blieb.
Eines wurde mir auch klar: Die Kandidatinnen und Kandidaten von heute sind die Abgeordneten von morgen. An manchen Stellen werden es die Begegnungen im Wahlkampf erleichtern, in einer kritischen, bzw. für die Caritas besonders wichtigen Frage Kontakt mit den zukünftigen Abgeordneten aufzunehmen. Spannend fand ich auch zu beobachten, dass das Thema Pflege in öffentlichen Diskursen und in den Medien lange kaum eine Rolle zu spielen schien – bis es kurz vor der Bundestagswahl durch die Frage einer einzelnen Person in einer Diskussionsrunde noch einmal besondere Aufmerksamkeit bekam.
Schließlich fand ich es toll, als Ordensschwester (und damit auch als Kirche) mittendrin zu sein in diesen politischen Auseinandersetzungen. Ich habe stets Wert darauf gelegt, mich nie für Parteipolitik instrumentalisieren zu lassen, vielmehr den Kontakt zu allen zu suchen – um der Sache willen. Natürlich wurde ich auch in diesen Monaten immer mal wieder gefragt, was denn die Anrede „Schwester Anna“ zu bedeutet hatte. Dann gebe ich immer wieder gerne Auskunft, dass es auch jüngere Ordensschwestern gibt, die sich noch dazu mit Begeisterung in der Politikgestaltung engagieren.
Text: Sr. Anna Schenck CJ
Fotos: Caritas in Niedersachsen