Festrede zu 300 Jahren Congregatio Jesu in Meran
Sehr verehrte, liebe Festgäste,
immer müssen wir mit ihr beginnen, egal welches Jubiläum mit wie vielen Jahrhunderten wir feiern. Wir beginnen mit Mary Ward.
Von ihr schrieb eine ihrer Mitschwester, Elizabeth Cotton, am Ende ihrer Biographie in italienischer Sprache: habbiamo di che grandemente dolerci, e con affetto filiale querelarci di Dio, che l’habbia data al mondo in un secolo tanto incapace.
Zu Deutsch: Es kann uns wirklich schmerzen und wir wollen uns mit der Liebe von Töchtern bei Gott beklagen, dass er sie der Welt in einer Zeit gab, die sie so wenig begreifen konnte.
Eine Zeit, die nicht begreifen wollte, dass Mädchen nicht dümmer sind. Eine Zeit, die nicht begreifen konnte, dass Frauen selber denken wollen. Eine Zeit, die nicht zulassen wollte, dass Frauen über ihr Leben selbst entscheiden.
Denn genau das hat Mary Ward vor über vierhundert Jahren initiiert: Schulen und Erziehungseinrichtungen für Mädchen; Seelsorge von Frauen nicht nur, aber schwerpunktmäßig für Frauen; eine Gemeinschaftsstruktur, in der Frauen über sich selbst bestimmen. Es hat sich entwickelt, als Mary Ward inmitten einer kleinen Gruppe aus England in die Katholischen Niederlande aufbrach.
Was sie dabei auszeichnete, war eine Mischung aus Vision und Pragmatismus, eine Vision, die von Gott kommen musste, weil sie nur so alle Stürme und Untergänge überstehen konnte, zugleich ein Pragmatismus, der sah, was das Nächstliegende war: nämlich die Notwendigkeit, katholische Mädchen auszubilden, und das sofort anpackte.
Wenn wir nun 300 Jahre Englische Fräulein in Meran feiern, können wir davon ausgehen, dass eine starke Mutter (zusammen mit ihren Gefährtinnen) starke Töchter heranbildete, die diesem oft sehr steinigen Weg treu blieben, Kurs hielten und zugleich an vielen verschiedenen Orten Neues zum Leben brachten.
Am Anfang standen diese drei: Rehling, Fletting und Hauserin. Beginnen wir mit Maria Anna Rehling, Oberin in Augsburg. Zusammen mit einer Dame aus Innsbruck, die gerade ihre Tochter nach Augsburg ins Internat brachte, überlegte Rehling 1705, in Tirol eine Niederlassung der Englischen Fräulein zu gründen.
Ausdauernd verfolgte sie diesen Plan und nützte alle Gelegenheiten, so zum Beispiel den Besuch des Tiroler Landesfürsten in Augsburg, um ihn als Unterstützer zu gewinnen. Sie nützte Beziehungen zu den Eltern von Kostschülerinnen, zu den Verwandten von Mitschwestern und zu Ehemaligen selbst, die inzwischen etwa zu Hofdamen aufgestiegen waren.
Angedacht war die Gründung zunächst für Hall, dann aber für Schwaz; denn dort gab es einen großzügigen Unterstützer in finanzieller und in bürokratischer Hinsicht, was für ein solches Projekt unbedingt notwendig war.
Wie aber kam Meran ins Gespräch? Die Spur führt hierher, zu Josef Paul von Hausmann, dem damaligen Stadtpfarrer von St. Nikolaus, der es 1708 als Gewissenssache sah, den Meraner Bedarf beim Landesfürsten anzumelden. Der Stadtrat war aus vielen Gründen dagegen, u.a. weil man ein Gymnasium für Buben für wichtiger hielt. Da man sich aber dem Willen der höheren Herren schlecht entgegenstellen konnte, versuchte man erst einmal, Zeit zu gewinnen. Und schließlich wollten die Englischen Fräulein ja auch gar nicht nach Meran, denn dort fehlten die helfenden Hände.
Aber Kaiser Joseph I. fand Meran gut. Es gebe dort so viel "unerzogenen Adel", kann man an anderer Stelle als Begründung lesen. Der Kaiser genehmigte 1709 also die Gründung in Meran unter erheblichen Auflagen. Alle Steuern und Abgaben seien ohne Ermäßigung zu bezahlen. Die Zahl der Schwestern sei auf zehn zu begrenzen ohne die Möglichkeit von Versetzungen. Und schließlich solle die Gründung auf keinen Fall abhängig von der Obersten Vorsteherin in München sein (schließlich befand man sich mit Bayern im Krieg).
Die Liste der darauffolgenden Verhandlungsschritte wäre lang. Oberin Rehling schickte 1711 eine Delegation von zwei Schwestern und reiste 1713 selbst nach Tirol. Sie wollte die Gelegenheit nützen, die Kaiserin auf der Durchreise persönlich um Verständnis für ihre Sicht der Dinge zu gewinnen, was ihr auch gelang. Nach deren Abreise blieb die Sache wieder liegen, der Stapel der Denkschriften dafür und der Gutachten dagegen wurde immer höher. Deshalb plädierte der Landesfürst für eine Verhandlung vor Ort, an der neben einem Vertreter der Schwestern auch solche des Geheimen Rats, der Kammer und der Regierung teilnehmen sollten. Rehling fuhr selber nach Innsbruck, kümmerte sich um alle notwendigen Unterlagen und erhielt Ende 1714 schließlich die Zustimmung der oberösterreichischen Instanzen für die Gründung in Schwaz.
Sie kehrte nach Augsburg zurück, die Unterlagen gingen nach Wien. Dort scheinen die Dinge eine ungünstige Wendung genommen zu haben: Jedenfalls kam es 1715 erneut zur Ablehnung der Standortes Schwaz, nun durch Kaiser Karl VI. Rehling, die in der Zwischenzeit ernstlich erkrankt war, ergriff 1716 eine näherliegende Gelegenheit. Sie kaufte ein Haus in Bamberg und gründete dort Niederlassung und Schule.
Doch die Oberstvorsteherin in München ließ den Faden nicht abreisen. Sie schrieb nach Trient. Magdalene Fletting und Maria Anna Elsasser wurden zu weiteren Erkundungen nach Tirol geschickt. Auf ihren Reisekosten-Abrechnungen liest man neben Innsbruck, Hall und Schwaz als Stationen auch Trient, Bozen, Klausen, Brixen und Meran.
1720 endlich kam es zu Verhandlungen mit dem Meraner Stadtrat. Fletting stellte den Antrag, das Institut der Englischen Fräulein, wie sie schrieb, "mitlst Erkhauffung Einer Behaußung introducieren zu khönen"; sie gab eine Erklärung über ihre Lebensweise und die Art des Unterrichtens und Erziehens ab, darauf werden wir gleich eingehen.
Wieder gab es ein zähes Ringen über die erlaubte Anzahl von Schwestern und Internatsschülerinnen, über Steuern und Abgaben, über Immobilien und den Weiterverkauf von Wein, den sie oft an Stelle der Internatsgebühren bekommen würden. Der entscheidende Punkt aber war, dass die Stadt eine Bürgschaft der Institutshäuser Augsburg und München für die Neugründung forderte. Schließlich unterschrieben Fletting und Elsasser, die Oberstvorsteherin in München und die Augsburger Oberin. Kurz zuvor, im Dezember 1620 hatte Fletting von Graf Mamming einen Teil des Anwesens Steinachheim mit einem benachbarten Grundstück gemietet – auf drei Jahre für einen jährlichen Zins von 200 Gulden. Der Elementarunterricht scheint hier einen bescheidenen Anfang genommen zu haben.
Nachdem auch der zuständige Fürstbischof von Chur seine Erlaubnis gegeben hatte, wurde am 13. Februar 1721 die Erlaubnis der Stadt Meran feierlich besiegelt. Nun verhandelte man noch einmal mit dem Kaiser und konnte sowohl für den Weinverkauf wie für die Verbindung mit der Augsburger Oberin ein Zugeständnis erwirken. Letzteres bedeutete dann zumindest indirekt auch die Gemeinschaft mit der Generaloberin in München. Das Unterrichten scheint unter Oberin Fletting keine großen Fortschritte gemacht zu haben. Ihr Werk war aber am 22. April 1723 der Ankauf des Anwesens Hohensaal von der Gräfin Wolkenstein, völlig auf Pump, aber letztlich erfolgreich.
Im Rückblick schrieb Fletting darüber, sie habe den Kauf im Vertrauen auf Gott getätigt, weil es weit und breit kein tauglicheres Haus gab. Sie hätte es ja wieder verkaufen können, aber so eine Chance würde sich nicht noch einmal bieten.
Im selben Jahr bekam Augsburg wieder eine neue Oberin, Constantia von Sickenhausen. Sie wollte die Meraner Angelegenheit voranbringen und reiste mit Franziska Hauserin und einer jungen Schwester für den Hausbereich im Juni 1724 nach Meran, ließ die beiden am Sandplatz und nahm dafür Fletting und Elsasser nach Augsburg mit zurück. Dort konnte man eine weitere Schwester, die Tirolerin Antonia Wolkenstein, für das Unternehmen gewinnen, sowie die Internatsschülerin Franziska Sirminski. Die kleine Truppe wurde in München durch zwei weitere Mitschwestern verstärkt und kam am 4. Juli in Meran an.
Die Ankommenden wurden, so heißt es in der Chronik, von der Hauserin "mit Freuden umfangen", und weiter: Sie hat "uns gleich in das Kirchlein auf dem Sande geführt, alsdann in die Kapelle, und bis man uns das Essen gerichtet hatte, hatte sie uns das Haus gezeigt; welches aber bald gesehen gewesen; denn in dem ganzen Hause waren nicht mehr als 5 Zimmer so zu bewohnen waren".
Die Armut des Anfangs, für die meisten Gründungen typisch, war hier grenzwertig. Hinzu kam eine vielfach feindselige Einstellung der Meraner Bevölkerung. Zudem mussten sie erfahren, dass der Deutschordens-Komtur Johann Heinrich Hermann von Kageneck, der ihnen viel Unterstützung versprochen hatte, nichts davon einhielt. Was die Pionierinnen aushalten mussten, zeigt sich am Eintrag in der Chronik, dass die Oberin, wenn am Abend gar kein Essen da war, stattdessen zum gemeinsamen Rosenkranz rief. Die ausstehende Pachtzahlung für den Hohensaal übernahm am Anfang die Augsburger Gemeinschaft; dann fanden sich Unterstützer und Wohltäter, man fasste langsam Fuß und konnte die ersten Neuen in die Gemeinschaft aufnehmen. Denn die Erziehungsarbeit überzeugte.
Hören wir, wie vorhin angekündigt, auf die Erläuterungen darüber, die Magdalene Fletting dem Stadtrat gegeben hatte:
Ihr Unterricht für die Mädchen bezieht sich auf die Furcht Gottes und die Glaubenswahrheiten, sowie auf Lesen, Schreiben, Deutsch, Latein, Französisch und Italienisch, je nachdem, was die Eltern wünschen, daneben Rechnen, Nähen, Stricken und Sticken und andere Handarbeiten, je nach Wunsch der Eltern, sowie Kochen und Haushaltsführung.
Den Wünschen der Eltern entsprechend wird für das entsprechende Lehrpersonal gesorgt. Interne und externe Schülerinnen haben Zugang zum gleichen Unterricht. Für die Schülerinnen im Internat kann zwischen kostspieligerer oder einfacherer Kost gewählt werden. Sie werden in den allgemeinen Gottesdienst und in die Christenlehre begleitet.
Hier haben wir sie wieder, diese Mischung aus Vision und Pragmatismus. Alle Schülerinnen sollten, so der Wunsch und das Ziel, unabhängig von Stand und Herkunft die gleichen Chancen haben. Zugleich forderte der Blick auf die Realität, dass man den Wünschen der Eltern soweit irgend möglich entgegenkam, was natürlich alsbald zur Ausdifferenzierung führte und sich auch auf die unterschiedliche Verweildauer der Schülerinnen auswirkte.
Lange Zeit wurden die zukünftigen Lehrerinnen im Institut selbst ausgebildet. Im Hintergrund stand, mal mehr, mal weniger, das Menschen- und Frauenbild Mary Wards.
Wir finden es in diesem vielzitierten Satz verdichtet: "Bisher wurde uns von Männern gesagt, wir müssten glauben. Es ist wahr, wir müssen es. Aber lasst uns weise sein und wissen, was wir zu glauben haben und was nicht, und uns nicht dazu bringen zu glauben, dass wir nichts tun können."
Das ist der Appell, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, dabei nicht nur kritisch zu hinterfragen, sondern zugleich zu differenzieren und auch die herrschenden Machtverhältnisse in den Blick zu nehmen. Wozu das Ganze? Um etwas zu tun, um das Gute zu tun, um das, was man als gut erkannt hat, in die Tat umzusetzen. Und um zu glauben, um Gott zu glauben, dem allein wirklich zu glauben ist, weil er, so Mary Ward, nie getäuscht werden kann und niemanden in die Irre führt.
Die einzelnen Etappen der dreihundertjährigen Geschichte können nur sehr punktuell dargestellt werden. Ab 1739 entstand eine öffentliche Volksschule, die von Mädchen aus Meran und aus Mais besucht wurde. In diesem Jahr wurde in Brixen eine weitere Niederlassung der Englischen Fräulein gegründet, wiederum vom Augsburger Institut aus. Franziska Hauserin wurde 1743 zur Obersten Vorsteherin gewählt und damit nach München beordert.
Die Nachfolgerin in Meran wurde ihre ehemalige Kostschülerin Franziska Sirminski. Dass sich ihre Obrigkeitshörigkeit in Grenzen hielt, zeigt ein Erlass von Kaiser Franz I. von 1751 folgenden Inhalts: Die Englischen Fräulein waren nicht befugt, entgegen der 1721 getroffenen Vereinbarung, die auch nicht geändert werden soll, die Zahl der Mitglieder zu vermehren oder zwei Getreidegülten zu erwerben. Doch gesteht die Kaiserliche Majestät eine Obergrenze von 28 Personen zu, da es inzwischen verboten ist, Kinder zur Erziehung außer Landes zu schicken. Deshalb scheint das Institut nicht nur nützlich, sondern notwendig zu sein. Auch dürften einige Wiesen zugekauft werden, wenn die Stadt Meran damit einverstanden sei, da man "zu Meran Milch, und butter nicht allweihl auch umb geld fünden könne".
Kaiserin Maria Theresia ließ die allgemeine Schulpflicht einführen, die Zahl der Schülerinnen wuchs entsprechend. Ihr Sohn Kaiser Joseph II. griff tief in die Autonomie der Orden ein und ließ nur bestehen, was in seinen Augen für den Staat irgendwie von Nutzen war. Dazu gehörten die Englischen als Schulorden; sie mussten sich aber eine strikte Begrenzung der Mitgiften gefallen lassen; keine Schwester durfte außer Landes geschickt werden; Kandidatinnen konnten nur mit Zustimmung der Regierung aufgenommen werden.
Welche Meinung man in Wien über die weiblichen Schulorden hatte, zeigt sehr plakativ ein Satz von Aloys Gschaider, 1782 veröffentlicht: "Wie kann eine Nonne, die entweder eine verunglückte Liebe, Verzweiflung oder Fantasie in das Closter trieb, einem Mädchen eine Erziehung geben, die als künftige Mutter ihren Mann mit der Familie glücklich machen soll?"
Sozusagen als Gegenbild finden sich bei den Meraner Englischen Fräulein zwei Gemälde, die zeigen, was sie unter Bildung und Erziehung verstehen und wohin sie zielen soll. Wir sehen auf dem einen die lesende Maria, von ihrer Mutter Anna liebevoll zum Lesen der Heiligen Schrift angeleitet, ganz im Schatten der Vater Joachim, der seiner kleinen Tochter ebenfalls über die Schulter schaut. Ein Bild für die Befähigung zur selbstständigen Aneignung des Glaubens.
Und zum Verhältnis von Mann und Frau das andere Bild, eine "Heilige Familie", die darstellt, wie Josef sich liebevoll mit dem Sohn Jesus beschäftigt, während Maria wieder ganz in ihre Lektüre versunken ist.
Zurück zur Geschichte: 1784 wurde das Meraner Haus offiziell vom Mutterhaus in München getrennt. Die nächste Oberin wählten sich die Schwestern selbst, die Schikanen der Regierung gingen weiter. Aber nun stand die Meraner Bevölkerung zu ihren Schwestern, weshalb man doch das eine oder andere Zugeständnis erwirken konnte. Unter der nächsten Oberin überstand man die Koalitionskriege und die bayerische Besatzung. 1816 wurde man dem Generalat St. Pölten unterstellt, das sich ab diesem Zeitpunkt auch redlich um eine gute Verbindung mit Meran bemühte.
1818 wurde die Schule einem Schulinspektor unterstellt und angeordnet, den Unterricht sowohl als Winterschule und als auch als Ganzjahresschule durchzuführen. Letztere sollte aus drei aufsteigenden Klassen bestehen. Die adeligen Internen durften noch zusätzlichen Unterricht beanspruchen. Auch für die Italienisch sprechenden Kinder sollte es ein eigenes Angebot geben. Beim Tod der Oberin war das Institut schuldenfrei und hatte sogar Rücklagen.
Ihre Nachfolgerin von 1828 bis 1840 war Salesia aus der weitverzweigten und bekannten Familie der Tschiderer. Das Institut kam zu hohem Ansehen und ließ alle Beschimpfungen und Unterdrückungen der früheren Zeit hinter sich. Im Internat verdoppelte sich die Zahl der Schülerinnen und wäre noch größer geworden, wenn es mehr Platz gegeben hätte. Auch bei den Eintrittswilligen gab es eine Warteliste, wodurch man der Gefahr entging, zu junge oder ungeeignete Kandidatinnen aufzunehmen.
1836 wurde Meran von einem Erdbeben erschüttert, gefolgt von einem Ausbruch der Cholera. Die Oberin befahl inniges Gebet und ordnete die nötigen Vorsichtsmaßnahmen an. Die Internatsschülerinnen wurden alle nach Hause geschickt. Eine Schwester hatte sich angesteckt. Sie wurde in einem Kämmerlein isoliert untergebracht und von der Oberin selbst versorgt. Weitere Schwestern erkrankten nicht, was man der Fürbitte des hl. Sebastian zusprach. Man könnte meinen, eine gesunde Mischung aus Gottvertrauen und gesundem Menschenverstand.
1869 konnte man den eigenen Nachwuchs an Lehrerinnen zwar noch selbst unterrichten, musste sie aber zur externen Prüfung schicken. 1878 wurde die Mädchenschule zur Privatschule erklärt. Dennoch baute man mit Unterstützung der Generaloberin an, um die inzwischen vierstufige Schule zu erweitern. 1881 bekam sie das Öffentlichkeitsrecht zurück; zur Ausbildung als Lehrerin musste man aber in die staatliche Einrichtung, was mit hohen Kosten verbunden war.
1884 folgte als neue Oberin Scholastika Bertagnolli, stammend aus einem Bauernhaus in Fondo auf dem Nonsberg. Sie ließ das Haus an die neue städtische Wasserleitung anschließen und mit mehreren Zapfstellen versehen. Während frühere Oberinnen sich gegen alle Versuche des Stadtrats gewehrt hatten, Teilstücke des Anwesens am Sandplatz herauszulösen, zeigte sich Bertagnolli kompromissbereit. Für die Wandelhalle der Kurstadt Meran wurde ein Stück Garten verkauft. Stattdessen ließ die Oberin drei Gartenhäuschen errichten, eines für die Internatsschülerinnen, eines für die Novizinnen und eines für die übrigen Schwestern. Der Schwesternbereich wurde gründlich renoviert, das Internat erweitert. Dann hatte sie den Mut zu einem Großprojekt, einem Neubau der Schule mit Bau einer neuen Kirche.
Zur Finanzierung des Schulbaus ließ sie 1898 an der Stelle der Gartenmauer an der Südseite des Grundstücks Verkaufsläden errichten und vermieten. Im Stockwerk darüber, das mit dem Institutsgebäude verbunden wurde, entstanden Schwesternzimmer. Am 19. November 1900 konnte die neue Mädchenvolksschule eingeweiht werden. Ein dafür von einem Damen-Komitee der Stadt veranstalteter Bazar erbrachte 10.000 Gulden. Den Bau der Herz-Jesu-Kirche konnte die Oberin nur noch planen und vorbereiten. Sie verstarb an einem Herz-Jesu-Freitag, am 4. Juli 1902.
Die Aufgabe ihrer Nachfolgerin war der Bau der Kirche. In der Chronik ist dazu vermerkt: "Am letzten März wurde mit großem Muthe u. Gottvertrauen zu Ehren des hl. Josef, welcher Bau- und Zahlmeister zugleich sein mußte, die Arbeit begonnen."
Die Entwicklung im Schulwesen ging weiter. Statt der Klassen für das Pensionat wurden Parallelklassen im Volksschulbereich eingerichtet. Darauf aufbauend wurde mit einer Bürgerschule begonnen, die auf drei Jahre angelegt war. Am Anfang halfen als Lehrkräfte die Benediktinerpatres des Meraner Gymnasiums aus. Bald darauf wurde auch eine zunächst zwei-, später dreiklassige Handelsschule errichtet, zum Teil mit angestellten Lehrkräften. Die Schwestern richteten eine Schulküche ein. Auch ein Kindergarten wurde im Institut untergebracht.
Der Beginn des Krieges 1914 wurde zuerst durch die Einberufung der männlichen Angestellten, dann durch Lebensmittelknappheit fühlbar. Gut zehn Tage lang musste für ein durchmarschierendes Bataillon im Turnsaal ein Nachtlager auf Stroh eingerichtet werden. Ein Teil des Gebäudes diente als Militärspital. Man fertigte Winterwäsche und sammelte für die Soldaten. 1915 kamen fünf Schwestern aus Rovereto nach Meran, weil deren Haus aus strategischen Gründen zerstört worden war. 1916 waren drei fleischlose Tage angeordnet. Unter den Schülerinnen kam es vermehrt zu Todesfällen durch Lungentuberkulose, Diphterie und Hirnhautentzündung.
1918 heißt es: "Aus gestoßenen Nußschalen wird Tee für die Jause bereitet, getrocknete Apfelschalen und weiße Rüben bieten Kaffee Ersatz, alle Gattungen Kürbisse sowie 'Brennessel- und Kleeblätterspinat' werden als Gemüse aufgetischt." Kartoffel galten als Delikatesse. Die Schwestern erbettelten in ihren Heimatgemeinden Lebensmittel. Trotzdem begann man mit vier Schwestern und angestellten Lehrkräften mit zwei Lyzeumsklassen.
Dann: Die "Spanische Grippe" in Schule und Internat. Waffenstillstand. Einmarsch der Italiener in Meran. Plünderung der Magazine durch die Bevölkerung. Wiederherstellung der Ordnung durch die italienische Besatzung. Tirol wurde geteilt. In der Chronik steht dazu: "Im neuen Königreiche Italien wollte man sich nicht recht glücklich fühlen." Andererseits erlebte man mit Schrecken, wie in Nordtirol Sozialdemokraten das Jesuitenkolleg und das Canisianum in Innsbruck plünderten und zerstörten. Einige Schwestern nutzten die Ferien zu Italienisch-Kursen in Vicenza und Florenz. Mit dem neuen Schuljahr kam eine dritte und vierte Lyzeumsklasse hinzu.
Die neue Oberin Michaela Heinzle kam aus dem Institutshaus in Brixen. Sie stammte aus Vorarlberg. Die erste Herausforderung in der beginnenden Zeit des Faschismus war eine Verleumdung in der Zeitschrift "Libertà" aus Trient, im Institut hätten anlässlich der Annexion 48-stündige Trauerfeierlichkeiten stattgefunden. Es kam zum Verhör der internen Schülerinnen, Oberin und Schulleiterin wurden vorgeladen. In Wirklichkeit war vom 8. bis 10. Oktober 1920 wie in jedem Jahr das Vierzigstündige Gebet gehalten worden.
Ihre praktische Veranlagung zeigte die Oberin durch den Einbau einer Zentralheizung im Gebäude für die Schwestern (zuvor gab es eine solche nur im Internat und im Laden) und durch die Anschaffung einer Teigknetmaschine. Sie kümmerte sich auch darum, dass die "Ausländerinnen", also die Mitschwestern, die jenseits des Brenners geboren waren, die italienische Staatsbürgerschaft erwerben konnten.
Im Februar 1923 bekamen die Schwestern eine Spende von 10 000 Lire von Papst Pius XI. zum Ausbau der Klassenräume. Am 17. Mai wurde das 200-jährige Gründungsjubiläum gefeiert: Festmesse im Garten, ein Gartenfest mit den Theaterstücken der Schülerinnen, Festakademie und Festvortrag. Besonders erwähnenswert fand die Chronistin das Festspiel und darin "die Glückwünsche der Schwesterninstitute aus Europas Landen und überseeischen Gebieten; das friedliche Zusammenwirken der Institute der verschiedenen Nationen."
Die größte Herausforderung für die Oberin war es, die vom Staat verordneten Restriktionen im Schulbetrieb umzusetzen und zugleich alle verbleibenden Spielräume auszuloten. Der Unterricht musste zunehmend in Italienisch gehalten werden, die Deutschstunden wurden mehr und mehr verboten. Bei einer Visitation der privaten Elementarschule, die dreimal in der Woche noch eine Deutschstunde haben durfte, wurde festgestellt, dass die Schülerinnen „im Deutschen intensiver unterrichtet sind und bessere Leistungen aufzuweisen haben als im Italienischen“. Daraufhin wurde die Verwendung des deutschen Lesebuchs verboten.
1928 war in allen Schulen die Unterrichtssprache Italienisch und alle deutschen Lehrerinnen, die keine italienische Lehrbefähigung erwerben konnten, mussten aus dem Schuldienst entfernt werden. 1938, nach dem Anschluss Österreichs an Deutschland, wurde in der Chronik festgehalten: "Heuer besuchen die israelitischen Kinder nicht mehr unsere Schulen, da ein neues Staatsgesetz die Auswanderung der Juden vorschreibt. Mexiko, Rußland, England und Holland nimmt sie auf."
Nach dem Hitler-Mussolini-Abkommen kam die Zeit der "Option": Die Reichsdeutschen mussten bis Anfang 1940 nach Deutschland bzw. Österreich ausreisen, die Volksdeutschen sich entscheiden, ob sie auswandern oder als italienische Staatsbürger in ihrer Heimat bleiben wollten. Dazu ist zu lesen: "Unsere Mitschwestern, die ja wussten, dass sie im Reich sicher nicht in Schulen oder sonst wie für die Jugend würden wirken dürfen, optierten natürlich für Italien. Diejenigen aber, die noch immer keine italienische Staatsbürgerschaft hatten, mussten großenteils gehen."
Nach dem Sturz Mussolinis und dem Ausscheiden Italiens aus dem Krieg im Juli 1943 wurde Südtirol von der deutschen Wehrmacht besetzt und der "Operationszone Alpenvorland" zugeschlagen. Die Schwestern nahmen ihre persönlichen Papiere zu sich und packten einen Handkoffer. Nach zweitägiger Beschlagnahmung des Schulhauses kam die Erlaubnis, den Unterricht wie bisher weiterzuführen.
Dann mussten alle Privatstunden eingestellt, das Schulhaus ab November für eine "Deutsche Schule" sowie für 111 Heimschülerinnen vermietet werden. Die 23 Schwestern unter 45 Jahren mussten für Heim und Schule Arbeitsdienst leisten. Andere fertigten auf Bestellung Handarbeiten an. Im Heim sollten die Kruzifixe entfernt werden. Da die Schwestern sich weigerten, musste die Heimleiterin selbst Hand anlegen.
Im Schuljahr 1944/45 kamen statt der Mädchen Buben in Schule und Internat. Am 28. April 1945 wurden alle Schüler heimgeschickt; das Haus wurde Lazarett für 130 kranke und verwundete Soldaten. Am 7. Mai 1945 läuteten die Friedensglocken in der Stadt, am 8. Mai zogen die Alliierten ein.
Auf Bitte des Ordinariats fanden bereits im Juli und August auf dem Eggerhof religiöse Schulungskurse für Lehrerinnen und Jungmädchen statt. Das Lazarett wurde aufgelöst, das Gebäude für 600.000 Lire instandgesetzt, so dass am 10. Oktober der Kindergarten und die deutsche und die italienische Volksschule eröffnen konnten. Am 6. November folgten die dreiklassige Mittelschule und die vierklassige Lehrerbildungsanstalt (Pädagogium). Mit Ausnahme des Kindergartens und der italienischen Volksschule waren alle Einrichtungen staatlich: Die Schulräume wurden dem Schulamt Bozen vermietet, die Schwestern vom Staat angestellt.
In Bezug auf das wiedereröffnete Internat musste man sich vor der englischen Behörde rechtfertigen: "Selbstverständlich haben wir in erster Linie die Kinder, welche unsere Lehrerinnenbildungsanstalt besuchen wollten, aufgenommen, weil unsere Schule die einzige für Lehrerinnen in ganz Südtirol ist" heißt es da, und: "Wegen Raummangel wurden weder deutsche noch italienische Kinder für Volksschule und Kindergarten angenommen."
1952 erhielt die private italienische Schule das Öffentlichkeitsrecht. 1957 wurde begonnen, das Internat gründlich zu renovieren und damit viel heller und freundlicher zu gestalten. 1958 übernahmen die Schwestern eine neue Wirkungsstätte. Dazu in der Chronik: "Fräulein Auer, die durch viele Jahre in der Villa Imperial in Obermais eine Privatschule führte und nun wegen ihres Alters nicht mehr imstande ist, dieser schweren, verantwortungsvollen Aufgabe nachzukommen, bot uns ihr Haus an. Es sollte auch weiterhin Schulzwecken und der Erziehung dienen." Die Entscheidung fiel auf die Errichtung einer Frauenfachschule, die es bisher in Südtirol nicht gab, und eines dazugehörigen Internates.
Vier Schwestern waren außerschulisch eingesetzt: in der Betreuung der externen Marianischen Kongregation, der italienischen Katholischen Aktion und der italienischen Pfadfinderinnen.
1964 bekam die Lehrerbildungsanstalt ein neues Heim in der Galileistraße. 1968 gingen drei Volksschullehrerinnen in den verdienten Ruhestand, und die Mädchen-Volksschule, die (mit Ausnahme der zwei Schuljahre 1943-1945) seit 1723 ununterbrochen unter der Leitung des Instituts stand, zog aus. Das Schulhaus am Sandplatz diente nun fast ganz der von einer Schwester geleiteten staatlichen Mädchen-Mittelschule.
1973 erhielt die Herz-Jesu-Kirche eine neue Orgel. Für das italienische Internat entstand ein Neubau auf eigenem Grund, die "Maiense" in Obermais, die 1974 bezogen werden konnte. 1980 musste die italienische Volksschule aus Mangel an eigenen Lehrerinnen geschlossen werden. 1995 wurde nach einem Erdbeben unter anderem das sog. "Archiv" restauriert, bis die Wappen mit Schrift und Verzierung wieder in voller Schönheit zur Geltung kamen.
2002 beschloss die Generalkongregation des Ordens, die Konstitutionen der Jesuiten so vollständig wie möglich zu übernehmen und zugleich den Auftrag zu verwirklichen, den Mary Ward von Gott vernommen hatte: "Der Name soll der von Jesus sein." Im gleichen Jahr fiel in Südtirol die Entscheidung, vom Sandplatz in die Villa Imperial umzusiedeln: 2009 verließen die letzten drei Schwestern das Haus am Sandplatz. 2011 kam es zur Schließung des Institutshauses in Brixen; einige Schwestern blieben bis 2015 in einer Mietwohnung in Brixen und zogen dann nach Meran um.
Das Anwesen am Sandplatz, die Maiense und das Institutshaus Brixen wurden an die Autonome Provinz Südtirol verkauft, der es ein Anliegen war, die Schülerheime zu erhalten. Mit einem großen Teil des Erlöses errichteten die Schwestern eine Stiftung, die "Stiftung Congregatio Jesu-Südtirol" mit dem Ziel, Schülerinnen und Schüler, Studentinnen und Studenten aller drei Sprachgruppen aus einkommensschwachen Familien insbesondere durch Gewährung von Beiträgen für Heimunterkunft und Studienstipendien während der Studienzeit zu unterstützen. Zugleich bemüht die Stiftung sich, die für die Erfüllung dieser Zielsetzung nötigen finanziellen Mitteln aufzutreiben.
Allem Anschein nach geht die Ära der Englischen Fräulein in Südtirol allmählich zu Ende. Wie viele Mitglieder die Congregatio Jesu, wie die Englischen Fräulein nun heißen, in der Zukunft haben wird und an welchen Orten sie tätig sein werden, wissen wir nicht. Mary Ward würde uns raten, trotzdem zu feiern und mutig in die Zukunft zu gehen, so wie sie es hielt: Freiheit, so dass die erwünschten Dinge weiter erwünscht sind, und Wirksamkeit und Bereitschaft, sie zu verwirklichen, aber ohne Besorgnis; Missfallen über die widrigen Dinge, aber ohne Angst; das Innere gleichermaßen zufrieden, was auch immer von diesen Widrigkeiten geschehen sollte; die Hauptwirkung ist, dass man entsprechend der vorgenannten Erkenntnis liebt oder abgeneigt ist, bereit zu handeln oder zu unterlassen, jedoch gleichmütig gestimmt, was auch immer geschieht; man sieht die Gefahr nachteiliger Gegebenheiten, aber ohne Furcht, Angst oder Beunruhigung; ruhiges Vertrauen, dass Gott seinen Willen tun wird; folglich ist man frei von allem und wünscht nur eines, nämlich Gott zu lieben, und hier bleibt man frei und zufrieden.
Sr. Ursula Dirmeier CJ
"Gründlicher bericht wegen anfang und fortsezung der einführung des Englischen Institut Maria in die Landschafft Tÿrol"
Die bewegende Geschichte, die schließlich zur Gründung führt, wurde im 18. Jahrhundert von den Schwestern schriftlich festgehalten. Im Rahmen der Vorbereitung für das Jubiläum hat Sr. Ursula Dirmeier CJ diesen "Gründliche(n) bericht wegen anfang und fortsezung der einführung des Englischen Institut Maria in die Landschafft Tÿrol" transkribiert und mit einer Einleitung versehen.
Sie hat zudem eine besonders beeindruckende Begegnung, die die Grundlage für die Gründung bildet, als Audiodatei eingesprochen.