Ignatianisch – Weiblich – Mitten im Leben
Sie ist Juristin, war in Unternehmensleitungen tätig und arbeitet nun in der Jugendhilfe: Sr. Birgit Stollhoff CJ hat dem "Kolping Journal - Magazin des Diözesanverband Hildesheim" ein Interview gegeben. Darin berichtet sie über ihre Berufung und ihr Leben. Hier gibt es die ganze Ausgabe des Magazins zum Nachlesen.
Kein Habit, nur ein dezentes Kreuz an der Halskette. Und der Namenszusatz „Schwester“. Also doch eine Ordensfrau? „Ja“, sagt die 43-Jährige. Neben dem abgeschlossenen Jurastudium kann die kommunikative, lebensfrohe Ordensfrau auch einen Master im Management vorweisen. Derzeit arbeitet sie an ihrem Master für Theologie (Fernstudium). Aktueller Einsatzort: Leiterin des Jugendpastoralen Zentrums Tabor in Hannover. Birgit Stollhoff ist Schwester der Congregatio Jesu mit Gelübden auf Lebenszeit, in der Gemeinschaft in Hannover.
Wo machst Du am liebsten Urlaub?
In den Bergen oder am Wasser, am besten beides – also in der Schweiz, in Bayern oder dem Sehnsuchtsland Schweden.
Magst Du es in der Diaspora oder wärst Du gern Ordensschwester in einem katholischen „Kernland“?
Ich bin ein Fan der Diaspora! Die Kirche ist hier kleiner, persönlicher und flexibler – was ich sehr schätze. Wobei gerade der Faktor „persönlicher“ auch seine Schlagseite hat. Aber insgesamt bin ich sehr gerne im Norden.
Warum trägst Du keine Ordenstracht? Ist das typisch für Deinen Orden, auf einen Habit zu verzichten?
Mary Ward, die Gründerin, wollte eine Gemeinschaft „wie die Jesuiten – also apostolisch und nah die den Menschen. Wir haben keine Klausur und kein gemeinsames Stundengebet – da finde ich ein Ordenskleid nicht passend. Die Gelübde – Armut, Keuschheit und Gehorsam – habe ich ja. Ich bezeichne mich nicht als Nonne, sondern als Ordensschwester. Und ich finde „Schwester-sein“ eine sehr schöne Berufung – weil sie bei mir familiär positiv geprägt ist und weil es gut beschreibt, wie ich Menschen begegnen will: als loyale, solidarische aber auch ehrliche weibliche Ansprechpartnerin.
Was fördert die Reifung auf dem Berufungsweg?
Der offene Austausch mit den Mitschwestern. Und auch als Ordensschwester lebt man in einem Beziehungsnetz aus Gemeinschaft, Beruf, Familie und Freunden. Und alle tragen zu einer gelingenden Berufung bei, alle sind wichtig. Aus der Arbeit, etwa seinerzeit bei Bernward Medien, habe ich viele Impulse bekommen, die mir geholfen haben, mich weiter zu entwickeln.
Was sind die Zeichen, welche die Echtheit einer Berufung bezeugen?
Ruth Pfau, die große Ärztin und Ordensschwester im Kampf gegen Lepra, hat einmal sinngemäß gesagt: Das Herz muss weiter werden. Das ist nicht immer mehr Freude, aber doch mehr Offenheit, mehr Empathie, mehr Entwicklung. Wenn ich im Orden immer enger und skrupulöser würde, wäre das dauerhaft ein Signal, dass es vielleicht nicht der richtige Ort für mich ist. Ich habe aber für mich auch akzeptiert, dass Zweifel an der Berufung dazugehören, die verschwinden nicht einfach.
Wie hast Du Deine Berufung erfahren?
Für mich war das ein langer Weg. Auch die Frage, ob ich der Kirche als Juristin und überzeugte Katholikin in der Welt nicht mehr nütze. Letztlich war es aber eine Entscheidung aus Großzügigkeit – ich hatte ein Leben zu verschenken und der Orden ist der Ort, an dem ich es Gott angeboten habe und er es bislang angenommen hat.
Du bist nicht nur Ordensschwester, sondern auch Juristin. Du hast im Krankenhaus und in der Medienbranche gearbeitet. Nun bist Du in der Jugendpastoral tätig. Wo hat es Dir am meisten Freude gemacht?
Jetzt, nach einem längeren Weg, bin ich sehr froh und dankbar, mit Jugendlichen arbeiten zu dürfen. Als das an mich herangetragenwurde, hatte ich erst viele Bedenken, habe ich mir das nicht zugetraut. Und jetzt würde ich sagen: Es ist eine unglaublich sinnvolle Aufgabe! Ich darf Jugendliche begleiten, ich darf mit tollen Kolleg*innen einen Ort schaffen, an dem sie Freiheit und Geborgenheit haben und den sie gestalten können. An der Jugendarbeit wird sich entscheiden, ob wir uns als Kirche wirklich„Zukunft trauen“: Also ob wir unsere eigenen Vorstellungen abgeben und in die Hände von nachfolgenden Generationen legenkönnen – im Vertrauen darauf, dass sie einen guten Weg finden werden. Ich bin da, jetzt, wo ich mit den Jugendlichen zusammenarbeiten darf, sehr optimistisch – das sind großartige Menschen.
Hast Du einen Lieblingspapst?
Ein großer Vorteil am Ordensleben und am Studium ist, dass ich inzwischen nicht nur Bischöfe, Päpste und ein paar weibliche Heilige habe, sondern auch sehr viel mehr Frauen, die ich vorbildlich in ihrem Einsatz für die Kirche finde. Ruth Pfau bewundere ich, Madeleine Delbrel, aber etwa auch Hanna-Renata Laurien bei der Würzburger Synode oder die Kirchenrechts-Professorin Sabine Demel.
Hast Du Sorge, dass irgendwann der Strom an Berufungen ganz austrocknen wird?
Gott beruft Menschen in seine Nachfolge, wie er sie braucht. Ich halte es aber für möglich, dass es keine Berufungen in unseren Orden geben wird oder in den priesterlichen Dienst, wie er sich aktuell darstellt. Die Frage ist meiner Meinung nach nicht: Wie kommen mehr Schwestern zu uns? Wie füllen wir die Priesterseminare? Sondern: Wozu braucht uns Gott als Ordensleute heute noch? Auf welche Not der Zeit können wir Antwort sein? Was ist der originäre Auftrag eines Priesters? Wo ist sein Weinberg? Ich glaube, wenn wir auf diese Fragen eine Antwort gefunden haben, löst sich auch die Frage nach den Berufungen. Und ich erlebe viele Menschen, die sich mit Gott anbieten, die auf die Nöte als Teil der Kirche Antwort geben, insofern bin ich im letzten optimistisch.
Was macht Dir bei deinem Dienst als Ordensschwester die größte Freude?
Ich finde, wenn es gut läuft, ist man als Gemeinschaft einfach mehr als nur 2 oder 3 oder mehrere Mitschwestern. Gemeinsam an einem Ort wirken und wirksam sein ist eine sehr starke und sehr schöne Erfahrung.
Kam für Dich jemals auch ein anderer Orden in Frage?
An der Stelle war und ist meine Berufung sehr klar: Nein.
Wie hat Deine Familie reagiert, als Du das erste Mal gesagt hast, dass Du Nonne werden möchtest?
Unterschiedlich. Einfach und schmerzfrei war das nicht. Am entspanntesten war meine große Schwester, als ich ihr gesagt habe, dass ich es versuchen werde: "Das wurde auch Zeit, Du begannst mit dem Thema zu nerven. Wann kommst Du uns im Pinguin-Kostüm mal besuchen?"
In Hannover gibt es mit "Nightprayer" oder der stillen Anbetung mit Lobpreis freitags in St. Franziskus, viele spirituelle Angebote für junge Menschen. Es ist auffällig, dass es gut angenommen wird. Hat die Jugend Sehnsucht nach Spiritualität?
Ich glaube, sie hat eine Sehnsucht nach verbindlichen Beziehungen. Zu Gott drückt sich das in Spiritualität wie im Nightprayer aus – eine liturgische Form, die ich selber sehr schön finde. Andere Jugendliche sind über viele Jahre verlässlich Teamer*innen bei Jugendfreizeiten und zeigen da eine sehr reflektierte Nächstenliebe.
Welche/welcher Heilige fasziniert Dich besonders?
Nach wie vor und als Noch-nicht-Heilige: unsere Ordensgründerin Mary Ward! Die ist mir mit ihrer Freiheit vor Gott, ihrer Liebe zur Kirche und den Menschen, vor allem den Frauen und jungen Menschen, sowie der Klarheit über ihr Werk das zentrale Vorbild.
Herzlichen Dank an das Kolpingwerk Diözesanverband Hildesheim für die Möglichkeit, das Interview hier zu veröffentlichen.